Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehren in Degerloch, Plieningen und Riedenberg kritisieren unisono, dass die Stadt zu wenig Geld für die Ausbildung des Nachwuchses bereitstellt. Sie fühlen sich vernachlässigt.

Filder - Den 18. November 2015 wird Frank Althoff nicht so schnell vergessen. An der Haltstelle „Tränke“ fährt ein Linienbus auf einen anderen auf. Die Freiwillige Feuerwehr Degerloch-Hoffeld findet neben verbogenem Blech und gesplittertem Glas acht Schwerverletzte und 21 Leichtverletzte am Unfallort vor. Da sei ein Kind gewesen, das um ein Blatt Papier und einen Stift gebeten habe, erinnert sich Althoff. „Es wollte den Namens seines Vaters aufschreiben, weil es nicht sprechen konnte. Im Gesicht hatte es lauter Knochenbrüche“, erzählt er.

 

Auf solche Situationen vorbereitet

Blut auf den Sitzen der Busse, Menschen unter Schock – der 18. November sei schon ein besonderer Einsatz gewesen, sagt er. „Aber wir sind für so etwas ja auch ausgebildet“, erklärt der Brandschützer. Es klingt, als wolle er sagen, das Engagement bei einer Freiwilligen Feuerwehr sei eben eines, bei dem es ums Ganze geht. Althoff freut sich, dass in den 15 Jahren, in denen er die Abteilung Degerloch-Hoffeld leitet, sich die Mannschaft auf 56 Leute verdoppelt hat. Intern sei die Stimmung sehr gut, sagt er.

Doch Frank Althoff redet sich in Rage, wenn es um das geht, was er die externen Bedingungen nennt. Er benennt auch den Schuldigen, der aus seiner Sicht den Brandschützern das Leben schwer macht: die Stadt. Nicht einmal einen Computer gebe es im Feuerwehrhaus an der Leinfeldener Straße. „Ich habe seit fünf Jahren keine einzige E-Mail an die Branddirektion geschrieben“, sagt Althoff. Seinen privaten Rechner benutze er bewusst nicht. Der Feuerwehrkommandant will nicht auch noch das unterstützen, was er der das „Totsparen“ nennt. Der Gemeinderat hat zwar im vergangenen Jahr 30 Millionen Euro für die Branddirektion bewilligt. 24 Millionen Euro davon fließen in den Abriss der Feuerwache 5 in Degerloch und den Neubau in Möhringen. Weitere 4,5 Millionen Euro werden in die Sanierung der Leitzentrale investiert. Doch aus der Sicht Frank Althoffs kommt von der Summe viel zu wenig bei den Freiwilligen Feuerwehren an. Es fehlt aus seiner Sicht vor allem an Mitteln für die Ausbildung. „Wir haben fünf Leute, die auf ihre Weiterbildung warten, weil kein Geld da ist. Wenn die nicht bald die Grundausbildung bekommen, sind die weg“, macht Frank Althoff klar.

Zehn von 56 sind Frauen

Nach fünfjährigem Ringen seien im Feuerhaus an der Leinfeldener Straße immerhin die Damenumkleiden erweitert worden, sagt der Feuerwehrkommandant. Die Öffnung für Frauen gilt angesichts des demografischen Wandels als wichtig für die Zukunft der Feuerwehren, da die Bevölkerung insgesamt abnimmt. Seine Abteilung sei froh, dass inzwischen zehn von 56 aktiven Brandschützern Frauen sind – trotz der fehlenden Umkleiden. „Einige unserer Damen mussten sich hinter stinkenden Fahrzeugen umziehen“, berichtet Althoff.

Sein Plieninger Kollege Dennis Mayer blickt gleichfalls ernüchtert auf das nun nicht mehr ganz so neue Jahr. Eine gut organisierte Jugendabteilung sei für eine Freiwillige Feuerwehr das A und O, sagt der Plieninger Kommandant. Doch auch er fürchtet, dass die Anstrengungen, junge Leute zu gewinnen, verpuffen, wenn Mitglieder der Jugendfeuerwehr länger als ein Jahr auf eine Grundausbildung warten müssten. „Wir brauchen mehr Unterstützung“, sagt er und kritisiert, dass so viele Millionen allein dem Neubau der Feuerwache 5 zugute kommen sollen.

Mehr Feuerwehrleute auszubilden, ist aus Mayers Sicht auch deshalb dringend angezeigt, weil die Zahl der Einsätze zunehme. Immer stärker hätte es seine Abteilung mit der Bewältigung von Wetterereignissen wie Starkregen zu tun. Sie sind für ihn ein Zeichen des Klimawandels, auf den die Stadt sich vorbereiten müsse. „Die Natur wird man nicht beheben können“, sagt der Plieninger Feuerwehrkommandant.

Besonders schwierig am Stadtrand

Jan-Steffen Chrobok, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Riedenberg, sieht Schwierigkeiten gerade für Abteilungen in Stadtbezirken am Rand Stuttgarts. „Wir umfassen ein kleines Gebiet, und es gibt in Riedenberg immer weniger Leute, die in der Nähe arbeiten und tagsüber schnell zu einem Einsatz fahren können“, sagt Chrobok. Weil die Personaldecke deshalb ohnehin eher dünn ist, setzt auch die Freiwillige Feuerwehr in Riedenberg darauf, Nachwuchs früh und eng an sich zu binden. Für Jan-Steffen Chrobok steht fest, dass die Stadt mehr in die Ausbildung investieren muss, damit das Ehrenamt in der Freiwilligen Feuerwehr attraktiv bleibt.

Frank Knödler, Leiter der Stuttgarter Branddirektion, kann den Frust der Kommandanten, wie er es ausdrückt, überhaupt nicht nachvollziehen. Die Stuttgarter Feuerwehr sei bestens ausgerüstet, sagt er. Die Freiwilligen Feuerwehren würden zum Beispiel in diesem Jahr mit EDV ausgerüstet. „Das müssten die Kommandanten wissen“, sagt Knödler. Wartezeiten von einem Jahr seien bei der Grundausbildung zudem nichts Neues. Die Kritik am Doppelhaushalt nennt er aus vielen Gründen sachlich falsch. „Wenn 4,5 Millionen Euro für die Leitzentrale ausgegeben werden, profitieren ja auch die Freiwilligen“, sagt Knödler.

Den Unmut von Kommandanten, der auch im Stuttgarter Norden die Presse beschäftigt hat, hält Knödler für aufgebauscht. Der Leiter der Branddirektion will wissen, dass die Kommandanten sich jüngst mit dem Stadtfeuerwehrverband getroffen haben. Den Zusammenschluss aller Stuttgarter Feuerwehren bezeichnet er als „Lobbyverband“. „Ich vermute, da wurden die Kommandanten angestachelt. Ich wundere mich auf jeden Fall sehr.“