Die Bahn ist zuversichtlich, die Fluchtreppenhäuser nicht mitten auf den Bahnsteigen bauen zu müssen. Anwohner des Kernerviertels befürchten aber, dass die dazugehörigen Belüftungsanlagen zu laut sein werden.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Bahn beabsichtigt, Notausgänge an die beiden Bahnsteigenden des Durchgangsbahnhofs von Stuttgart 21 zu bauen. Die im November 2015 durchgesickerten Pläne hat die Bahn nun bestätigt. Die verlegten Ausstiege sollen die umstrittenen acht Fluchttreppenhäuser ersetzen, die in den Augen von Kritikern Engstellen auf den Bahnsteigen geschaffen hätten. Die Genehmigung von den ursprünglichen Plänen abzuweichen, will die Bahn nun einholen. Allerdings erklärt DB-Brandschutzbeauftragte, Klaus-Jürgen Bieger, auch: „Wir haben heute schon ein genehmigtes Brandschutzkonzept, mit dem wir bauen können“.

 

Möglich machen soll das überarbeitete Brandschutzkonzept auch eine stärkere Lüftungsanlage am Rande des Kernerviertels. In diesem sogenannten Schwallbauwerk Süd sollen Ventilatoren eingebaut werden, die bis zu 1000 Kubikmeter Luft pro Sekunde in die unterirdische Bahnhofshalle pressen können. Benötigt werden aber nur 333 Kubikmeter. Die selbe Menge an Luft gelangt im Havariefall von den Entrauchungsbauwerken am Pragtunnel und an der Heilbronner Straße via den Eisenbahntunneln in den Bahnhof. Die Luftmassen sollen den Rauch durch Öffnungen in den 28 Lichtaugen genannten Kuppeln des Bahnhofsdachs herausdrücken. Die werden dazu mit Brandmeldern ausgestattet.

Bahn rückt vom Plan ab, Rauch abzusaugen

Damit verabschiedet sich die Bahn von einem Konzept, das auch das teilweise Absaugen des Rauchs vorsah. Da der Qualm nun von den Bahnsteigenden weggedrückt wird, könnten dort auch die Notausgänge platziert werden, erklärt Bieger. Trotz der enormen bewegten Luftmassen sei kein Flüchtender auf dem Weg zu den Notausgängen von massiven Gegenwind betroffen. Dass die an den jeweiligen Bahnsteigenden ins Freie führen, der Rauch aber durch die Lichtaugen entweiche, verbucht Bieger auf der Habenseite. Durch die ursprünglich geplanten Fluchttreppenhäuser wären Flüchtende zwischen den einzelnen Dachkuppeln nach oben ins Freie gelangt – um dann womöglich in dichtem Rauch zu stehen, wie Kritiker immer wieder anmahnten.

„An den Bahnsteigeenden müssen auf dem Fluchtweg nur sechs Meter Höhenunterschied überwunden werden, bei den Fluchttreppenhäuser wären es bis zu 14 Meter gewesen“, unterstreicht Bieger. Diese Neuerungen seien auch mit Behindertenverbänden abgestimmt. Für Menschen mit Gehproblemen gibt es nach den Brandschutztüren Flächen, auf denen sie warten können, bis Retter ihnen die Treppen hinaufhelfen. Hinter diesen Türen befänden sie sich aber bereits in Sicherheit. Einwände, mit der Verlegung der Treppenhäuser verlängere sich der Fluchtweg erheblich, will Bieger nicht gelten lassen. Der Weg bis zu den Ausstiegen bleibe lange rauchfrei und sei auch im normalen Tempo zu erreichen. „Man muss kein Sprinter sein,“ so Bieger.

100 Kilometer Wasserleitungen für den Brandfall

Laut Bieger war die Branddirektion bei der Umplanung eingebunden. Die Tunnelstrecken von Stuttgart 21 werden demnach mit einem gut 100 Kilometer langen Leitungsnetz ausgestattet, aus dem die Feuerwehr im Brandfall Löschwasser entnehmen kann. Die Nutzung von Erdwärme soll verhindern, dass das Löschwasser bei Frost gefriert und dadurch die Wasserleitungen beschädigt.

Massive Kritik an den neuen Plänen kommt vom Netzwerk Kernerviertel, einem Zusammenschluss von projektkritischen Anwohnern des Quartiers. Sorgen bereiten vor allem die noch nicht genehmigten Modifikationen am Schwallbauwerk Süd. Die dort eingebauten Ventilatoren seien unter Volllast 139 Dezibel laut. Der Ventilator laufe aber nicht nur im Notfall, sondern auch bei regelmäßig fällig werdenden Wartungsarbeiten, moniert Frank Schweizer, Sprecher der Initiative, in einem Schreiben an das Eisenbahn-Bundesamt. Der Behörde liegen die geänderten Bahnpläne vor. Allerdings vermisst das Netzwerk in den Antragsunterlagen zahlreiche Nachweise und Gutachten. Ursprünglich hoffte die DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm mit einer Genehmigung bis zum November 2015.