Das Urteil ist gesprochen, ein Brandstifter kommt ins Gefängnis. Doch für die Opfer ist der verheerenden Hausbrand in Metzingen damit noch lange nicht vergessen. Die Todesangst hat sich tief eingebrannt.

Tübingen/Metzingen - Die Hitze, der beißende Rauch, die panischen Schreie - und vor allem die Todesangst. So etwas vergisst man nicht. Als die Bewohner von jener Nacht im Mai 2012 erzählten, als ihr Haus in Metzingen (Kreis Reutlingen) niederbrannte, da wurde auch im Gerichtssaal das ganze Ausmaß deutlich. Es war ein Feuer-Inferno. Zwei Menschen starben, viele sind für ihr Leben gezeichnet. Jetzt ist diese dramatische Nacht zumindest juristisch aufgearbeitet: Ein 35-Jähriger ist am Landgericht Tübingen wegen Brandstiftung mit Todesfolde zu gut elfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Einen Schlussstrich können viele Opfer trotzdem nicht ziehen.

 

Den ersten Eindruck vom Einsatzort wird Feuerwehrkommandanten Hartmut Holder wohl nie wieder vergessen. Überall war Rauch. „Im ersten Obergeschoss stand eine Familie mit einem Säugling am Fenster und wollte springen. Eine Person war aufs Dach geklettert und klammerte sich am Schneefanggitter fest. Eine Person war bereits aus dem Fenster gesprungen und lag auf der Straße“, erzählte er damals. Schon dieser Blick von außen war erschütternd. Doch welche Schicksale sich in dem Gebäude zugetragen haben, ist erst in dem Gerichtsverfahren nach und nach deutlich geworden.

Da ist die Geschichte eines 39-Jährigen. Der dichte Rauch, der durch das Treppenhaus in die Wohnungen zog, hatte ihm jeden Rettungsweg versperrt. Mit einem nassen Lappen vor dem Mund wollte er die Flucht wagen, fasste die Staatsanwältin seine Aussage zusammen. Doch die Hitze sei so stark gewesen, dass sein Lappen nach wenigen Metern schon wieder ganz trocken war und er keine Luft bekam. Seine Fußsohlen waren verbrannt. In Panik sprang er im zweiten Stock aus dem Fenster und verletzte sich beim Aufprall schwer. Vermutlich wird er nie wieder richtig gehen und arbeiten können.

Geschichte vom Unglück glaubten die Richter dem 35-Jährigen nicht

Oder die Geschichte eines 55-Jährigen. Als die Feuerwehr eintraf, saß er außen auf der Fensterbank und rief um Hilfe. Die Einsatzkräfte konnten sich zu ihm durchkämpfen. Doch dann war auch ihnen jeder Fluchtweg versperrt. Endlich gelang es ihnen, den Mann über eine Drehleiter ins Freie zu bringen - doch da war er gerade gestorben. „Die Hilfe war so nah“, sagte die Anklage-Vertreterin.

Oder die Geschichte einer 80-Jährigen, die in ihrem Bett lag und nur noch tot geborgen werden konnte. „Man kann nur hoffen, dass sie im Schlaf von dem Brand überrascht wurde und von allem gar nichts gemerkt hat“, meinte die Staatsanwältin.

Es gäbe noch mehr Geschichten aus dem Haus zu erzählen. Etwa von den Eltern, die ihren erst wenige Tage alten Säugling aus dem Fenster hielten, damit es draußen frische Luft atmen konnte. Viele der Bewohner verloren alles, was sie hatten. Einige waren nicht einmal versichert. Mehrere seien traumatisiert und litten bis heute unter Alpträumen. Und auch bei den Feuerwehrleuten hätten sich die Erfahrungen tief eingebrannt, betonte die Anklage-Vertreterin. „Ihnen war es ganz arg, dass sie nicht mehr tun konnten.“

Der 35-jährige, der in der Tiefgarage einen Haufen Sperrmüll in Brand gesetzt hatte, sank während des Prozesses immer tiefer in sich zusammen. Er habe das Feuer nicht legen wollen, beteuerte er. Alles sei ein tragisches Unglück gewesen. Trotzdem übernahm er sofort die Verantwortung für den Brand und den Tod der beiden Opfer. „Ich schäme mich dafür“, sagte er in seinem Schlusswort.

Die Richter rechneten ihm das hoch an. Doch die Geschichte vom Unglück glaubten sie ihm nicht. Er sei mit den Spannungen und Konflikten in seinem Leben nicht klargekommen. Deshalb habe er das Feuer gelegt, heißt es in dem Urteil. Vor allem, dass er bald Vater werden würde, habe ihm zugesetzt. Das Kind ist wenige Tage nach der Tat zur Welt gekommen. Es wird nun die ersten Jahre ohne Vater leben.