Der Platz unter einem Museum in São Paulo wird nachts von dunklen Gestalten belagert. Das schreckt die Kunstgänger ab. Ist ein Gitter die richtige Lösung für die Stadt, die sich sonst so liberal gibt?

São Paulo - Der Platz unter dem Kunstmuseum von São Paulo ist der prominenteste öffentliche Raum in der größten Stadt Südamerikas. Ausgerechnet dort schlagen nachts neuerdings Stadtstreicher, Prostituierte und andere ungebetene Gäste ihre Zelte auf. Die Ratlosigkeit ist groß: Kann ein Zaun die Lösung sein? Schön ist der Platz nicht, und Schönheit strebte die Architektin Lina Bo Bardi auch gar nicht an, als sie das Museu de Arte de São Paulo (MASP) in den Sechzigern plante: „Es sollte ein formal hässliches Projekt werden, aber ein benutzbarer Raum, etwas, was die Menschen verwenden können“. Das ist ihr in jeder Hinsicht gelungen.

 

Der Brutal-Betonbau liegt an der Avenida Paulista, dem Kurfürstendamm São Paulos, aber Bardi hat ihn an zwei wuchtigen, rot gestrichenen Stahlträger-Klammern aufgehängt, so dass der Platz darunter frei ist: Auf der einen Seite der Boulevard, auf der anderen Seite eine hinreißende Fernsicht über das Wolkenkratzer-Panorama São Paulos, und oben drüber Werke von Botticelli, Bonnard und Beckmann. Wenn es dunkel wird, gesellen sich offenbar „Hippies, Neo-Hippies, Arbeitslose, Stadtstreicher und Drogensüchtige“ dazu, wie die Lokalzeitung „Folha de S. Paulo“ berichtet – und zu sehr später Stunde auch noch eine Prostituierte mit Kundenverkehr. Sie würden sich im Springbrunnen waschen, der Duft der Marihuana-Wolken vermenge sich mit Urin- und Kotgeruch, beschrieb das Blatt die Situation. Die nahe Polizeiwache zieht die ungebetenen Gäste sogar an. „Wir fühlen uns sicherer“, erklärte einer von ihnen – anders als das bürgerliche Museumspublikum, das beginnt sich am Abend eher zu fürchten.

„Ein öffentlicher Platz kann nicht von einer bestimmten Gruppe besetzt werden“, sagt Bürgermeister Fernando Haddad und verspricht, ihn „zurückzuerlangen“. Der Chefkurator des Museums, Texeira Coelho, schlug vorsichtig vor, Gitter anzubringen, die man morgens versenken und abends herauffahren kann. Das wäre die verschämt-diskrete Variante der für Brasilien typischen Lösung, denn in vielen Parks schützen hohe, spitzenbewehrte Gitter die Familien, Liebespaare und Jogger vor Stadtstreichern und Straßenräubern. Aber geht das hier an diesem Ort, der die liberale Stadt versinnbildlichen soll?