Das Vinzenzifest ist am Wochenende in entspannter Atmosphäre über die Bühne gegangen. Für fast alle war etwas dabei. Freunde der Folklore sind beim Umzug am Sonntag auf ihre Kosten gekommen, die Jüngeren tanzten am Samstag.

Wendlingen - Wendlinger mit Wurzeln im Sudetenland unterscheiden sich im Alltag von ihren Mitbürgern äußerlich nicht. Nur einmal im Jahr, am letzten Wochenende im August, schlüpft die Egerländer Gmoi in ihre traditionelle Tracht und pflegt beim Vinzenzifest in Wendlingen einen dreihundert Jahre alten Brauch. Der Ernte- und Trachtenfestumzug am Sonntagnachmittag ist auch bei der 66. Auflage wieder einer der Höhepunkte beim Vinzenzifest unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewesen.

 

Längst sind die Heimatvertriebenen und ihre Nachkommen beim Umzug nicht mehr unter sich. Bei dem Umzug sorgen auch andere Heimat- und Brauchtumsvereine für farbenprächtige Hingucker, die Festbesucher zu Tausenden an die Umzugsstrecke gelockt haben. Die Sudetendeutschen, die nach dem 2. Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten, verstehen sich als Brückenbauer in Europa. Entsprechend offen präsentiert man sich in der Gmoi gegenüber anderen Gruppen.

Gäste aus Metzingen lassen Trachten wiederaufleben

Mit dabei war beispielsweise der Trachtenverein Glems aus Metzingen. Die Glemser Tracht wurde in der Zeit um 1840/1850 getragen. Bei der Gründung 1980 fand der Verein zwar leider keine Originaltrachten mehr. Doch forschten die Mitglieder im Landesmuseum in Stuttgart nach und ließen anhand von alten Unterlagen die Tracht nachschneidern.

Zum Startschuss für den Umzug um 13.30 Uhr dürften die meisten wieder auf den Beinen gewesen sein, die am Abend zuvor bei der Party mit Disco bis in die Nacht hinein das Tanzbein geschwungen haben. Der DJ-Abend zielte zwar in erster Linie auf ein jüngeres Publikum. Doch Hits aus mehreren Jahrzehnten sprach auch Junggebliebene an, bei denen das Haar schon schütterer und angegraut ist.

Themen Heimat und Integration sind aktueller denn je

Das Wendlinger Stadtfest – denn dazu hat sich das Vinzenzifest unter Beteiligung der örtlichen Vereine und der Stadtverwaltung längst gemausert – ist indessen mehr als nur Folklore, Blasmusik und Disco. Die Vinzenziprozession von Sankt Kolumban am Samstagvormittag und der anschließende Festgottesdienst und der Empfang der Stadt sind unverzichtbare Bestandteile des Vinzenzifests.

Bei den beiden Festreden von Rainer Bendel von der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Vertriebenenorganisationen Stuttgart und der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch stand der Heimatbegriff und die Integration von Neubürgern im Mittelpunkt – ein Thema, das durch die neuen Flüchtlingsbewegungen aktueller ist denn je. Die Kultur der Heimatvertriebenen im Spannungsfeld zwischen neuer und alter Heimat ist denn auch Gegenstand einer Ausstellung mit Stellwänden im Wendlinger Rathaus, die noch bis zum 29. September zu sehen ist.