Kommunizieren Schwaben anders als ihre deutschen Mitbürger?  Der Brauchtums-Experte Wulf Wager behauptet genau das. 

Stuttgart - Wulf Wager ist nicht nur als Geschäftsführer einer Werbeagentur in Altenriet (Kreis Esslingen), als Autor und Moderator aktiv. Er ist auch ein Kenner schwäbischer Traditionen. Mit seinem Buch "Schwäbischer Trinkspruchbeutel" will er Volksfestgängern helfen, in schwäbischer Manier zu kommunizieren. Außerdem hat er mit der StZ über Umgangsformen gesprochen, die es beim Volksfest zu beachten gilt.

 

Herr Wager, Ihr "Schwäbischer Trinkspruchbeutel" ist bereits Ihr zweites Sprüche-Buch, das dritte erscheint im nächsten Jahr. Woher kam die Idee dazu?

Die Idee kam eigentlich von meinem ehemaligen Schwiegervater, der sein Leben lang immer jede Menge Sprüche auf Lager hatte. Eines Tages begann ich damit, diese Sprüche aufzuschreiben und stets die Ohren offen zu halten, wenn ich irgendwo Trinksprüche hörte. Ich hatte immer ein kleines Büchlein dabei, wenn ich unterwegs war, und irgendwann hatte ich so viele Sprüche zusammen, dass es für das erste Buch reichte.

Was gibt es in Ihrem "Trinkspruchbeutel" zu entdecken?

Das Buch enthält etwa 300 schwäbische Sprüche und Trinksprüche, davon sind viele wirkliche Lebensweisheiten. Zum Beispiel sagt man den Beamten ja immer nach, sie seien nicht besonders fleißig. Deshalb lautet ein Spruch: "Wenn's Schaffa koi G'schäft wär, na däd's dr Bürgermeischter selber macha." Oder ein anderer: "Liebe vergeht, der Hektar besteht." Es ist einfach schön, diese überlieferten Dinge auch mal nachlesen zu können und ein Grafiker hat das Ganze auch sehr schön illustriert.

Inwieweit helfen die Sprüche bei der Volksfest-Kommunikation?

Sofern man in einem Zelt ist, in dem man noch kommunizieren kann, ohne sich anschreien zu müssen, hilft das Buch immer. Denn so ein Spruch lockert ein Gespräch auf und er löst Spannungen, wenn man sich noch nicht kennt. Und was immer hilft, sind die Trinksprüche. Heute werden die zwar nicht mehr so oft verwendet, früher waren sie aber üblich. Im 15. Jahrhundert war das Zuprosten sogar verboten, weil die Leute ständig besoffen waren. Aber aus dieser Zeit stammen die Trinksprüche.

Kommuniziert der Schwabe anders als andere Menschen?

Ja. Er kommuniziert mit weniger Worten. Ein typisch schwäbischer Dialog wäre zum Beispiel, wenn man sich trifft: "So?" "Ja." "Und?" "Au." "Isch recht." Das ist ein kurzer Dialog und jeder weiß, es läuft alles in gewohnten Bahnen, es ist nichts Außergewöhnliches passiert. Der Schwabe kommuniziert also deutlich sparsamer als das restliche Volk Deutschlands. Deshalb ist es sicherlich nicht ganz einfach, sich als Auswärtiger auf die Schwaben einzulassen. Aber wenn man einmal das Herz eines Schwaben erobert hat, dann bleibt man auch lange Zeit dort verankert.

Hilft das Buch auch Auswärtigen, die nicht aus dem Schwäbischen kommen?

Es hilft ihnen insoweit, dass sie sehen, was die Schwaben eigentlich für Leute sind. Es steht nämlich vieles über die Schwaben drin, angefangen beim Motto "Schaffa, schaffa, Häusle baua ond net nach de Mädle schaua", aber auch, dass die Schwaben gerne feiern - allerdings am liebsten unter sich. Die Reing'schmeckten müssen sich schon ganz auf die Schwaben einstellen, damit das gemeinsame Feiern funktioniert. Aber mit dem einen oder anderen Spruch kommen sie schon weiter - zumindest dann, wenn die schwäbische Aussprache einigermaßen stimmt.

Was sollten Volksfestgänger bei der Kommunikation auf dem Wasen beachten?

Immer friedlich bleiben. Das ist das Wichtigste. Und man sollte beachten, dass auf dem Wasen immer eine gelöstere Stimmung herrscht als im Alltag. Am besten sollte man den Leuten in die Augen schauen, sie ansprechen, nur per Du kommunizieren und niemanden siezen. Denn auf dem Volksfest ist man per Du. Und wenn man dann noch im Dirndl oder in Lederhosen unterwegs ist, fällt die Kommunikation noch leichter.

Was halten Sie davon, auf dem Volksfest Tracht zu tragen?

Ich finde Trachten gut, vor allem, weil keine Frau in irgendeinem Gewand so gut aussieht wie im Dirndl - und zwar egal wie füllig sie ist. Außerdem ist es ein ganz anderes Gefühl, wenn man in Tracht aufs Volksfest geht, denn es stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das ist ähnlich wie im Fußballstadion. Wenn Sie Ihr VfB-Trikot anhaben, haben Sie eine Gemeinschaft mit 30.000 anderen Leuten. Das ist ein ganz anderes Gefühl als wenn man anonym irgendwo hingeht.

Welches ist Ihr Lieblings-Trinkspruch?

"Wer net mog Wei, Weib und Zwetschga- gselz, dem g'hört mi'm Straps an d' Gosch no g'schnelzt."

Der Experte für Mundart und Narren

Herkunft

Wulf Wager kam am 4. November 1962 in Plieningen zur Welt. Seine Eltern waren Pioniere des Volkstanzes.

Brauchtum

Seit 1979 ist Wager Volkstanz- und Fahnenschwinglehrer. Ein Jahr später trat er der Narrengilde des Cannstatter Kübelesmarkts bei. Seit 1988 ist er Redaktionsleiter der Zeitschrift "Der Heimatpfleger". Im Jahr 1992 wurde er Mitglied im Beirat der Schwäbisch-alemannischen Narrenzünfte. Seit zwölf Jahren leitet er die Cannstatter Mundarttage.

Beruf

Wulf Wager ist Autor zahlreicher Bücher. Er moderiert im Südwestrundfunk und ist Inhaber einer Werbe- und Eventagentur.