Es geht um Stolz, Macht, Genugtuung, Selbstbestätigung, um Schuld und Moral. Endlich erscheint „Breaking Bad“ komplett auf DVD. Wir sagen, warum Walter Whites Geschichte so süchtig macht.

Stuttgart - Lungenkrebs. Inoperabel. Andere hätten bei dieser Diagnose resigniert. Walter White aus Albuquerque, New Mexico, aber beschließt, so viel Geld zu verdienen, dass seine Familie nach seinem Abgang versorgt ist. Er zieht ein Geschäft auf mit dem, was er perfekt beherrscht: der Chemie. Mit seinem Partner Jesse Pinkman kocht er erst im Wohnmobil in der Wüste, später im Hightech-Labor reinstes, blaues Crystal Meth, eine synthetische Droge. Er rasiert sich den Schädel, nennt sich Heisenberg, lügt, betrügt, manipuliert, kalkuliert und mordet, lebt aber nach außen sein rechtschaffenes kleines Leben weiter. Sechs Staffeln lang fragen wir uns: Wird er überleben? Wer von denjenigen, die mit Walt in diesem Schlamassel stecken, wird überleben? Darum geht es in „Breaking Bad“, der preisgekrönten, viel diskutierten Lieblingsserie der amerikanischen und deutschen Feuilletons.

 

Sie erzählt die Metamorphose von Walt, dem Versager, der das Genie in sich entfaltet; davon, wie aus dem Würstchen ein Despot wird, aus dem Spießer der Teufel. Es geht um Stolz, Macht, Genugtuung, Selbstbestätigung, um Schuld und Moral. Und darum, eine Wahl zu haben.

Der Erfinder von „Breaking Bad“, Vince Gilligan, hat für diese Serie eine ganze Reihe komplexer, zwiespältiger Figuren geschaffen. Über Saul Goodman etwa, den durchgeknallten Anwalt, gibt es so viel zu erzählen, dass er beim US-Sender AMC eine eigene Serie bekommt. Auch Nebenfiguren wie Gale, Tuco oder die mexikanischen Cousins – alles irre Typen.

Emotional packend

„Breaking Bad“ ist so gut, weil es einen emotional packt. Wir erschrecken, um im nächsten Moment zu weinen, zu lachen oder zu staunen, weil wir was kapiert haben. Die Serie ist tragisch und zum Glück auch komisch. Ohne ihren Slapstick könnte man dieses Böse und Brutale kaum ertragen. Sie ist so gut, auch weil Walt und Jesse sich dauernd in scheinbar ausweglose Situationen manövrieren. Der Zuschauer denkt, das war’s, jetzt fliegen sie auf oder sind tot. Aber Walt zieht ihren Kopf jedes Mal doch noch aus der Schlinge, weil er eine Idee hat. Oder weil etwas Unfassbares passiert, etwas, wie der „Spiegel“ schrieb, „zum Niederknien Originelles“.

TermineDie Blu-Ray mit sämtlichen Staffeln kommt am Donnerstag heraus, die DVD-Box am 12. Dezember (je ca. 99 Euro). Arte zeigt Staffel fünf vom 6. Dezember an.

Walter White

Walter White arbeitet an einer Highschool. Foto: AMC

Gespielt von Bryan Cranston

Status Chemielehrer an der Highschool. Hilfskraft in der Autowaschanlage. Drogenkoch, Rauschgroßhändler, Selfmademan des profitabel Illegalen

RolleFür fast alle, mit denen Walt zu tun hat, ist er eine Witzfigur aus einer lahmen Anekdote ohne Pointe. Seine Schüler missachten ihn. Das Schulsystem entlohnt ihn so miserabel, dass er nach Feierabend fremde Autos waschen muss. Wenn er Pech hat, die seiner Schüler. Walts Alltag besteht aus Demütigungen und Enttäuschungen. Als ihm die Ärzte bescheinigen, er sei todkrank, wird ihm klar, dass er Frau und Sohn mittellos zurücklassen wird. Walt wandelt sich also aus dem gleichen Grund zum Kriminellen wie einst Robin Hood: Er will anderen Gutes tun. Wenn auch nicht gleich allen Geknechteten des Königreichs.

Besondere Eigenschaften Penibel, findig, freundlich, voll aufgestauter Hassenergie. Mieser Sinn für Kleidung.

Bester Spruch „Ich bin aufgewacht!“

Lieblingsfigur, weil der Hänfling Walt in einer Epoche der Verzagtheit beweist, dass es immer Handlungsspielraum gibt. (tkl)

Saul Goodman

Saul Goodman hat dehnbare moralische Grenzen. Foto: AMC

Gespielt von Bob Odenkirk

Status korrupter Anwalt, Late-Night-Werbeikone

Rolle Saul Goodman ist ein schmieriger, aalglatt gescheitelter Anwalt mit vier oder fünf Exfrauen, der seine Kanzlei in einer schäbigen Mall eingerichtet hat. Er ist ein Netzwerker der Unterwelt, bringt Walt mit dem Drogenbaron Gus zusammen und hilft dem Ehepaar White beim Waschen der Millionen. Wenn die Bezahlung stimmt, sind seine moralischen Grenzen dehnbar. Auch als er Walt kennenlernt, hört er die Kasse klingeln, wird zu seinem gierigen Antreiber und Helfer in ausweglosen Situationen.

Besondere Eigenschaften Ausgefuchster Marketingstratege: fängt seine Klienten mit einer aufblasbaren Freiheitsstatue auf dem Dach seiner Kanzlei und mit Werbespots im Nachtprogramm („Better call Saul!“).

Bester Spruch Unendlich viele. Beispiel: „Fahren Sie nicht, wenn Sie getrunken haben! Aber wenn doch, rufen Sie mich an!“

Lieblingsfigur, weil er in jeder Situation einen trockenen Spruch auf Lager hat, der sogar das Großmaul Hank zum Schweigen bringt. Man würde definitiv Saul anrufen. (ijs)

Gus Fring

Gus Fring ist ziemlich skrupellos. Foto: AMC
Gespielt von Giancarlo Esposito

Status Als harmloser Hähnchenbrater und Betreiber von Los Pollos Hermanos getarnter Drogenbaron

Rolle Mit allen Wassern gewaschener Drogenboss, der die Fassade des großzügigen Philanthropen und intellektuellen Förderers perfekt aufrechterhält. Offiziell unterstützt er die Polizei von Albuquerque, in Wahrheit wäre er der Hauptpreis bei einer US-Variante von „Aktenzeichen XY. . . ungelöst“.

Besondere Eigenschaften Ist skrupellos, hochintelligent, eiskalt und der perfekte Verbrecher – bis Walter White damit beginnt, für Gus Fring Crystal Meth zu kochen . . .

Bester Spruch „POLLOS“: Mit dieser einsilbigen Textnachricht befiehlt Gus die durchgeknallten Killer-Cousins des Kartells zu sich, die dann mit einer Axt bewaffnet in Walts Schlafzimmer warten, um ihn zu töten.

Lieblingsfigur, weil Gus zu den ambivalentesten unter den ohnehin schon vielschichtigen Charakteren der Serie gehört. Zwar wird seine Vorgeschichte in Mexiko angerissen. Als Gangster mit multinationalen Verbindungen hätte er aber das Potenzial für eine eigene Serie. (ivo)

Mike Ehrmantraut

Mike Ehrmantraut bringt nur wenig aus der Ruhe. Foto: AMC

Gespielt von Jonathan Banks

Status Fürsorglicher Großvater; Problemlöser

Rolle Er sieht aus wie der nette Opa. Manchmal ist er das auch – wenn er auf seine Enkelin Kaylee aufpasst. Aber sein Geld verdient er mit Babysitting anderer Art: wenn Jesse es mal wieder versemmelt, „die Mexikaner“ Ärger machen oder Gus einen Tatortreiniger braucht.

Besondere Eigenschaften Ob Hank ihn zwiebelt oder Saul ein Eisen zu viel im Feuer hat, den Ex-Cop bringt nichts aus der Ruhe. Außer Walt. Manchmal.

Bester Spruch „Keine halben Sachen mehr, Walter.“

Lieblingsfigur, weil er immer weiß, was er tut und zu welchem Ende. Weil er im Unterschied zu praktisch allen anderen Figuren der Serie der bleibt, der er von Anfang an war. Weil er in einer amoralischen Welt als einziger einen moralischen Kompass zu haben scheint. Oder besser: Handwerkerehre. Aber ist das nichts? (jus)

Hector Salamanca

Hector Salamanca lebt in der Wüste. Foto: AMC

Gespielt von Mark Margolis

Status hochrangiges mexikanisches Kartellmitglied im Ruhestand, Rächer

Rolle Hector Salamanca, genannt Tio (Onkel), kann nicht mehr gehen und nicht mehr sprechen. Die Kommunikation funktioniert aber immer noch bestens – über seine Klingel am Rollstuhl. Einmal läuten bedeutet „ja“, kein Mal läuten „nein“. Den Rest erledigt eine Buchstabentafel. Einst gefürchtet, lebt der Onkel der Killer-Cousins bis zu einem blutigen Zwischenfall gottverlassen in der Wüste und später in einem Pflegeheim mit dem irreführenden Namen Casa Tranquila („beschauliches Haus“) in Albuquerque. Aus früheren Kartellzeiten hat der Hähnchenmann Gus eine Rechnung mit dem Alten offen. Die beiden verbindet blanker Hass – was böse endet.

Besondere Eigenschaften Unberechenbar. Lächelt nie. Kooperiert niemals mit der Polizei.

Beste Sprüche „Familie ist alles“ (als junger Mann), „Ding ding ding“ (per Klingel)

Lieblingsfigur, weil er trotz Rollstuhls bedrohlich wirkt. Wenn Naserümpfen töten könnte . . . (cs)

Hank Schrader

Hank Schrader muss in seiner Ehe einiges einstecken. Foto: AMC

Gespielt von Dean Norris

Status Schwager von Walt, Agent der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA

RolleHank ist mit Skylers Schwester Marie verheiratet und das unbestrittene Alphamännchen der Familie. Er mag Handfeuerwaffen, Barbecue und „Schraderbräu“, das Bier, das er in seiner Garage selbst herstellt. Methköche mag er dagegen gar nicht: Als Drogenfahnder ist er zusammen mit seinem Partner Steven Gomez auf der Jagd nach Heisenberg, ohne zu ahnen, dass sich hinter diesem Tarnnamen sein eigener Schwager Walt verbirgt. Zu Hause hält ihn Marie auf Trab, die wegen Kleptomanie in Therapie ist. Für seinen behinderten Neffen Walter Jr. stellt er die eigentliche Vaterfigur dar.

Besondere Eigenschaften Profilneurotiker, will härter erscheinen als er in Wahrheit ist, hat zu jedem Anlass einen vulgären Kommentar parat.

Bester Spruch „Scheißt der Papst in seinen Hut?“

Lieblingsfigur, weil was ist schon eine mexikanische Todesschwadron im Vergleich zu einer Ehe mit Marie? (had)

Jesse Pinkman

Jesse Pinkman arbeitet mit Walt zusammen. Foto: AMC

Gespielt von Aaron Paul

Status Ehemaliger Problemschüler, Meth-Koch und -Dealer, Walts Partner

Rolle Die tragische Figur und das Herz der Serie. Eine zufällige Begegnung mit seinem ehemaligen Lehrer Mister White und der daraus folgende Deal – Walt kocht, Jesse verkauft – wird ihm zum Verhängnis. Jesse, der kleine Junkie, wird zum Mörder und zum emotionalen Wrack. Walt zerstört sein Leben Stück für Stück. Dabei fängt dank Jesses Stümperhaftigkeit im Labor alles so lustig an.

Besondere Eigenschaften Ist schlauer, als es scheint. Und zäher.

Beste Sprüche „Yo, Mister White“, „Yes, Science!“

Lieblingsfigur, weil man sich permanent Sorgen um ihn machen muss. Hoffen, bangen, leiden, weinen. Weil er die lässigste Anrufbeantworter-Ansage in ganz Albuquerque hat („Yo Yo Yo 1-4-8–3 to the 3 to the 6 to the 9. . .“). Und weil niemand so euphorisch, so ängstlich und gleichzeitig so aggressiv das Wort „Bitch!“ rausschleudert wie er. (cle)

Skyler Walt

Skyler Walt ist zwar anstrengend, aber ohne sie funktioniert die Serie nicht. Foto: AMC

Gespielt von Anna Gunn

Status Walts Frau, glücklose Kurzgeschichtenautorin

Rolle Skyler wird eingeführt als spießbürgerliche Hausfrau, schwanger im siebten Monat. Sie gibt den Moralapostel und sorgt sich um Walt. Wegen seiner Heimlichtuerei entfremdet sie sich langsam von ihm. Nach und nach kommt sie hinter seine Lügen. Teilt sie etwa das Ehebett mit einem Monster? Skyler gerät in ein moralisches Dilemma – kein Wunder, dass sie da trotz Baby im Bauch wieder mit dem Rauchen anfängt . . .

Besondere Eigenschaften Pragmatisch, mutig, resolut, kämpferisch, gerissen

Bester Spruch „Jemand muss diese Familie vor dem Mann beschützen, der diese Familie beschützt.“

Lieblingsfigur, weil die Serie ohne sie nicht funktionieren würde. Durch Skyler, so anstrengend sie manchmal ist, wird Walts Wandlung und der Konflikt zwischen seiner Rolle als Vater und als Verbrecher erst richtig klar. (nur)