Mit der 1871 uraufgeführten Oper „Amleto“ knüpfen die Bregenzer Festspiele an ihre Tradition an, dem populären Opern-Spektakel auf der Seebühne die Wiederentdeckung eines unbekannten Stücks im Festspielhaus entgegenzusetzen.

Bregenz - Ist dieser Hamlet ein gefährlicher Irrer oder ein kalt berechnender Attentäter, der gespielten Wahn nur als taktisches Mittel einsetzt? Franco Faccios Oper „Amleto“, die am Donnerstagabend nach langem Archivschlaf zum Auftakt der diesjährigen Bregenzer Festspiele szenisch wiederbelebt wurde, zeigt den Titel-Antihelden jedenfalls nicht als grübelnden Intellektuellen. Im Auftrag eines Untoten wird der Wüterich zum Mörder. Am Ende hat er fünf Tote auf dem Gewissen und fällt selbst seiner Rache zum Opfer.

 

Mit der Wahl dieses Stücks erweist Intendantin Elisabeth Sobotka nicht nur dem Shakespeare-Jahr ihre Reverenz, sondern knüpft auch an die bewährte Devise ihres Vorgängers David Pountney an, im Festspielhaus eine Opernrarität als Gegenpol zum massentauglichen Seebühnenspektakel zu präsentieren. Ausgegraben wurde Faccios „Hamlet“ freilich nicht in Bregenz. Konzertante Aufführungen gab es bereits vor zwei Jahren in den USA. Sie wurden geleitet von Anthony Barrese, der 2004 eine kritische Edition der Partitur herausgegeben hat.

Synthese von deutschem und italienischem Musiktheater

Im Mai kam die Oper in Delaware auf die Bühne. Davor war sie 145 Jahre lang nicht mehr szenisch gespielt worden. Zum letzten Mal hatte sie das Publikum 1871 an der Mailänder Scala begeistert. Bei ihrer Uraufführung 1865 war sie noch durchgefallen, woraufhin sie der junge Komponist revidierte. Faccio wurde 1840 geboren. Lebenslang war er mit dem zwei Jahre jüngeren Dichter, Komponisten und späteren Verdi-Librettisten Arrigo Boito befreundet, der das Textbuch zu „Amleto“ schrieb. Beide gehörten in den Sechzigern einer aufmüpfigen Intellektuellengruppe an.

Als Komponisten propagierten Faccio und Boito damals in Opposition gegen den etablierten Verdi eine Synthese von deutschem und italienischem Musiktheater im Sinne einer in Italien noch nicht angekommenen „Zukunftsmusik“. Mit ihrem „Amleto“ wollten sie die italienische Oper neu erfinden. Vergleicht man die Partitur mit Meyerbeers „Afrikanerin“ und Wagners „Tristan“, die beide im selben Jahr aus der Taufe gehoben wurden, dann erscheint dieses Vorhaben freilich etwas zu hoch gegriffen.

Szenische Durchhänger werden mit aufwendiger Choreografie kompensiert

Faccios Musik ist ambitioniert, solid komponiert, hat aber dramaturgische Mängel. Teils wartet sie mit aparten Klangsituationen auf, teils klingt sie für ihre Zeit recht brav. Olivier Tambosi, der „Amleto“ in Bregenz auf Frank Schlößmanns düsterer Bühne inszeniert hat, musste „schon schlucken“, weil es erklärter Ehrgeiz der Autoren war, den Anspruch von Shakespeare musikdramatisch einzulösen. Szenische Durchhänger überbrückt er mit aufwendiger Choreografie (Ran Arthur Braun) in üppigen Kostümen (Gesine Völlm) und fantastischer Beleuchtung (Manfred Voss).

Hamlet (der an der Oper Stuttgart schon in Opern Janáceks gefeierte Pavel Cernoch mit sensationellem Tenor) agiert als traumatisierter Miesepeter, ein labiler, unberechenbarer Charakter, der schnell zu Gewalttätigkeit neigt. Anfangs spielt er notorisch den Spaßverderber und lässt seine Verlobte Ofelia (Iulia Maria Dan) rüde abblitzen. Später wird er zum Amokläufer. Auch Claudio Sgura (Claudio), Paul Schweinester (Laerte), Dshamilja Kaiser (Königin), Gianluca Buratto (Geist/Priester) und der Prager Philharmonische Chor überzeugen vokal und szenisch. Paolo Carignani erweist sich am Pult der Wiener Symphoniker als engagierter Anwalt Faccios.

Weitere Vorstellungen von „Amleto“: 27. Juli und 3. August; Informationen zum Programm und Tickets: www.bregenzerfestspiele.com