Der Landkreis hat als erster in der Region eine Studie zur Breitbandversorgung in Auftrag gegeben, um den Kommunen die jeweils beste Datenautobahn vorzuschlagen. Möglichkeiten gibt es viele, doch es lauern auch Stolperfallen.

Göppingen - Vor einem halben Jahr wusste ich noch kaum etwas über schnelles Internet, mittlerweile kenne ich mich ganz gut aus.“ Alexander Fromm, der neue Wirtschaftsförderer im Göppinger Landratsamt, hat sich die Verbesserung des Internets auf die Fahnen geschrieben. „Initiative Breitbandversorgung“ nennt er seinen Schlachtplan, mit dem der Kreis als Koordinator für die Netzanschlüsse seiner Kommunen innerhalb der Region Stuttgart eine Vorreiterrolle übernimmt.

 

Viel passiert ist im Kreis Göppingen noch nicht

Der Ausgangspunkt war die Erkenntnis, „dass im Landkreis zwar seit Jahren von einer Verbesserung der Breitbandversorgung gesprochen wird, aber nicht viel passiert ist“, sagt Alexander Fromm. Das Filstal sei zwar im Vergleich mit anderen Gebieten gar nicht mal so schlecht gestellt. Doch vor allem auf den letzten Kilometern vom übergeordneten Netz bis zu den örtlichen Verteilerpunkten lägen meist noch den Datenfluss lähmende Kupferkabel im Boden, die Übertragungsraten von 50 Megabit pro Sekunde (50 mbit) und mehr zunichte machten. Dabei ist Experten zufolge in den kommenden Jahren der dreifache Wert nötig. Mancherorts wird im Augenblick im Filstal nicht einmal ein Megabit pro Sekunde erreicht.

Wer am Ortsrand wohnt, hat Pech

Selbst dort, wo die Telekom die Netze jetzt bis zu ihren lokalen Kabelverzweigungen ausbaue und als Netzoffensive verkaufe, gebe es noch Lücken. Und in wenigen Jahren sei auch diese jetzige Verbesserung wieder verpufft, warnt Fromm. Er hat deshalb eine Studie angeregt, die zeigt, wo die großen Glasfasertrassen im Landkreis liegen und wie gut einzelne Gebiete erschlossen sind. „Es hat sich herausgestellt, dass vor allem kleinere Gemeinden, Randlagen sowie fast durchweg die Gewerbegebiete schlecht angeschlossen sind“, berichtet er.

Im zweiten Schritt soll bis zum Ende des Jahres erarbeitet werden, mit welchen Möglichkeiten sich die Kommunen einzeln oder im Verbund Zugang zu den überörtlichen Datenautobahnen und somit schnelles Internet verschaffen können. Die Alternativen sind vielfältig.

LTE-Mobilfunk

Alternative 1: LTE-Mobilfunk

Der schnelle Mobilfunk wird von der Telekom überall dort angepriesen, wo das Telefonnetz kein schnelles Internet hergibt und ein Ausbau den Anbietern nicht lukrativ erscheint, unter anderem in Bad Boll. Mit dem schnellen Mobilfunk lassen sich Engpässe überbrücken. Alexander Fromm zufolge ist diese Technik aber nur bedingt ausbaufähig: je mehr Nutzer, desto mehr Engpässe, denn weitere Steigerungsraten sind nur schwer erreichbar.

Telekom-Netzausbau

Ausbau bis zum zentralen Verteilerkasten

Dort, wo es wirtschaftlich machbar ist, bieten die Telekom und auch der andere große Netzbetreiber Kabel BW auch den Ausbau des Netzes an. In Ebersbach bekommt man den Ausbau wohl kostenlos, und in Eislingen wird zurzeit der Bedarf ermittelt. In Wangen lässt sich die Telekom den Netzausbau mit 100 000 Euro bezahlen, wovon die Kommune 50 000 Euro selbst trägt. Der Ausbau ist aber begrenzt auf die Kabelverzweigungen (KVZ) vor Ort. Von den zentralen Verteilern führen dann Kupferkabel in die Wohngebiete und zu den Häusern. Übertragungsraten von bis zu 50 mbit können so erreicht werden. Jedoch nimmt mit zunehmender Entfernung von den KVZ auch die Leistung ab. So wird beispielsweise im Norden Oberwäldens keine höhere Rate als rund sechs mbit erreichbar sein. Auch das Gewerbegebiet im Wangener Süden ist nur über lange Kupferkabel angeschlossen. Die Telekom kann aber die Kupferkabel durchaus später mit einer speziellen Technik (Vectoring) noch so aufmotzen, dass vielfach höhere Raten möglich sind. „Falls sie so nachrüsten sollte, wären die Kabel aber für andere Anbieter nicht mehr nutzbar, weil sie dann von der Telekom voll belegt sind“, erklärt Fromm. Er lobt die Gemeinde Wangen für ihre Initiative. Er warnt jedoch vor einer Monopolisierung durch das mögliche Vectoring.

Richtfunktechnik

Richtfunk überbrückt Kupferkabel

Im Gewerbepark Göppingen/Voralb ist jetzt die Einführung des schnellen Internets gefeiert worden. Initiativ war dort ein örtlicher Anbieter geworden, die Firma imos mit ihrem Filstalnetz. Mit einer Richtfunktechnik überbrückt das Unternehmen die langsamen Kupferkabel bis zum nächsten Kabelverzweiger und erhöht so die Leistungsfähigkeit der Anschlüsse.

Das Unternehmen hat so bereits einigen Gewerbegebieten im Kreis zu schnellerem Internet verholfen. Gerade für Gewerbegebiete, aber auch für von den Datenautobahnen weit abgelegene Kommunen sei diese Technik durchaus eine Alternative, lobt Fromm. Allerdings sieht er, dass auch diese Technik mittelfristig an Grenzen gelangt. „Gemessen an den Geschwindigkeiten, die wir im Internet für kommende Technologien benötigen, sind diese Raten doch limitiert“, erklärt er.

Das eigene Breitbandnetz

Glasfaser bis zum Haus

All diese Vor- und Nachteile der Varianten hat auch die Gemeinde Böhmenkirch auf der Alb abgewogen. „Wir sind dann dazu gekommen, dass richtig zukunftsträchtig eigentlich nur ein Glasfaserkabelnetz bis vor die Haustür ist“, sagt der Bürgermeister Matthias Nägele. Doch die beiden großen Breitbandnetzbetreiber, die Kabel BW und die Deutsche Telekom haben abgewunken. Die Investition rentiere sich in der etwas mehr rund 5500 Einwohner starken Gemeinde nicht – obwohl Böhmenkirch noch über ein großes und prosperierendes Gewerbegebiet verfügt.

Böhmenkirch spinnt sein eigenes Netz

„Wir bauen jetzt halt unser eigenes Netz“, erklärt Nägele. Rund 700 000 Euro lässt es sich die Kommune kosten, in diesem und im nächsten Jahr Glasfaserkabel und Leerrohre von den örtlichen Verteilern bis an die großen Datenautobahnen zu legen. Nach und nach sollen dann auch Hausanschlüsse mit Glasfasern bestückt werden, „eben immer überall dort, wo wir sowieso aufgraben müssen“, erläutert Nägele. Böhmenkirch ahmt damit Städte wie Sigmaringen und Ravensburg, aber auch kleinere Kommunen aus dem benachbarten Alb-Donau-Kreis nach. Auch Donzdorf erwägt gemeinsam mit Wissgoldingen im Ostalbkreis einen Selbstausbau.

Alexander Fromm favorisiert diese Glasfaser-bis-zum-Haus-Variante als die zukunftsträchtigste. Zwar werde sich eine solche Investition nie über Gebühren oder die Verpachtung des Netzes amortisieren, aber es sei ein wichtiger Schritt zur Standortsicherung. Was die Kommunen in diesem Fall allerdings noch suchen, ist ein Netzbetreiber, der die Leitungen später übernimmt oder pachtet. Fromm und der Bürgermeister Nägele sind sich aber sicher, dass sich genügend Interessenten dafür finden lassen.