1,1 Milliarden Euro will die Telekom in den Ausbau des Breitbandnetzes in der Region Stuttgart investieren. 500 Millionen Euro sollen von den Kommunen kommen. So hat es die Wirtschaftsfördergesellschaft der Region mit dem Telekommunikationskonzern vereinbart. Doch das gefällt längst nicht allen.

Stuttgart - Die Weichen für die regionale Breitband-Service-Gesellschaft sind nach einem einstimmigen Beschluss der Regionalversammlung gestellt. An ihr werden sich die regionale Wirtschaftsfördergesellschaft WRS, die Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart und die (teilweise noch zu gründenden) Zweckverbände der Kreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr zu je einem Siebtel beteiligen. Die Breitband-Service-Gesellschaft bündelt die Interessen der öffentlichen Hand in der Kooperation mit der Deutschen Telekom beim Ausbau des Glasfasernetzes und des Mobilfunkstandards 5G. Doch diese geplante Zusammenarbeit wird auch in der Regionalpolitik mit Skepsis gesehen.

 

Die Ziele sind hochgesteckt: Bis 2030 sollen jeder Betrieb und 90 Prozent der Haushalte in jeder der 179 Kommunen der Region einen Glasfaseranschluss haben. Auf dem Weg dorthin sollen bis 2022 rund 90 Prozent der Gewerbegebiete einen Glasfaseranschluss besitzen, drei Jahre später sollen alle Gewerbegebiete, alle förderfähigen Schulen und jeder zweite Haushalt damit ausgerüstet sein. Bis Anfang des übernächsten Jahrzehnts soll die Region als eine der ersten bundesweit über ein modernes 5G-Mobilfunknetz verfügen.

Ehrgeizige Ziele bis 2030

Das ist Inhalt der Absichtserklärung mit der Telekom, die Anfang Juli unterzeichnet wurde. Danach wird der Konzern 1,1 Milliarden Euro in den Ausbau stecken, die Region und die Kommunen werden 500 Millionen Euro in Sach- und Geldleistungen beisteuern. „Wir werden das bis Ende des Jahres eins-zu-eins in einen Vertrag umsetzen“, kündigt der bei der WRS angestellte regionale Breitbandbeauftragte Hans-Jürgen Bahde an, der die Geschäfte der Breitband-Service-Gesellschaft führen soll. Dazu gehöre ein verbindlicher Glasfaser-Ausbauplan für alle 179 Kommunen.

Bahde betont, dass trotz der Partnerschaft mit Telekom das Netz für alle Anbieter (open access) offen stehe. Er verteidigt nochmals die Wahl des Konzerns aus zwölf Anbietern aus der Privatwirtschaft. „Die Telekom-Konzeption war die einzige, die alle Anforderungen und Ziele der Region erfüllte.“ Nur dank der Geschlossenheit der fünf Kreise und der Stadt Stuttgart sei es möglich gewesen, „auf Augenhöhe zu verhandeln und das bundesweit größte öffentlich-private Breitbandprojekt zu verwirklichen“, sagt Bahde.

Lob und Skepsis bei den Fraktionen

Auch in der Regionalpolitik wird die regionale Zusammenarbeit gelobt. Trotz der Zustimmung zu der Breitband-Service-Gesellschaft tun sich aber viele Regionalräte mit dem Partner Telekom schwer. Das Unternehmen müsse nun beweisen, dass es sich kooperativ verhalten wolle, sagt der CDU-Regionalrat Matthias Pröfrock, der allerdings vor den „Nörglern“ warnt, „die uns erklären, was gestern falsch lief“. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) erinnert daran, dass es in der Region momentan nur eine Abdeckung von 1,2 Prozent mit schnellem Internet gebe. „Wir müssen den Ausbau mit Herzblut anpacken“, fordert Kuhn. Und er rate „allen Stadtwerken, sich zu beteiligen“.

Aus den Reihen der Stadtwerke, die in einigen Kommunen, wo die Privatwirtschaft aus finanziellen Gründen nicht aktiv wurde oder noch auf die alte Kupferkabel-Technologie setzte, den Ausbau übernommen hatten, und aus dem Verband kommunaler Unternehmen war scharfe Kritik an dem Pakt laut geworden. Die Telekom wolle nur ihr Monopol verteidigen, sie halte ihre Versprechungen nicht ein, die Finanzierung reiche bei weitem nicht für die gesamte Region – so die Einwände, die im Vorwurf gipfelten, die Absichtserklärung sei nur ein „Werbegag“. Das wies Kuhn zurück und appellierte: „Es kommt darauf an, nun mitzumachen und nicht zu diskutieren, was schief gehen könnte".

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Weitaus zurückhaltender sieht dies sein Amtskollege aus Ditzingen und SPD-Regionalrat Michael Makurath. „Wir kommen aus schlechten Kooperationen“, sagt er mit Blick auf die Telekom, die bisher nur am „renditeorientierten Netzausbau“ Interesse gehabt habe. Der Konzern reagiere nur, weil Kreise und Kommunen in der Region damit gedroht hätten, den Glasfaserausbau selbst zu machen. Er weist zudem darauf hin, dass die 500 Millionen Euro, die seitens der Kommunen gefordert würden, künftig für andere kommunale Aufgaben wie den Kindergartenausbau fehlten. Er sieht die Gefahr, dass einzelne Kommunen stärker belastet würden als andere. „Ich bin gespannt, ob sich das alle leisten können“.

Auch Andreas Hesky, Regionalrat der Freien Wähler und Oberbürgermeister von Waiblingen, erinnert daran, dass private Telekommunikationsunternehmen bisher den Glasfaserausbau bremsten, weil „sie mit ihren alten Kupferkabeln Geld verdienen wollten“. Wenn es schnelles Internet gebe, dann deshalb, weil Kommunen und ihre Stadtwerke dies früh erkannt hätten. „Unser Augenmerk richten wir darauf, dass nun nicht diejenigen bestraft werden, die in Vorleistung gingen, weil andere, auch unser neuer Partner, weniger aktiv waren.“ Zudem müssten die Kommunen rund 180 Euro pro Einwohner selbst investieren. „Dieser Betrag könnte manche Kommunen überfordern“, befürchtet Hesky.

Für Christoph Ozasek (Linke) ist das Telekom-Interesse ebenfalls „kein selbstloser Akt“, es gehe „nur um das Profitinteresse eines Konzerns, der um sein Quasi-Monopol fürchtet“. Infrastrukturen, und das gelte auch für Breitbandnetze, dürften nicht in den Händen profitorientierter Konzerne liegen, sagt Ozasek, der eine öffentliche Netzträgergesellschaft forderte – etwa über gemeinwohlorientierte Stadtwerke. Er halte die Gründung der Breitbandgesellschaft für richtig, die Beteiligung der Telekom als Partner sei aber falsch.

„Vorsichtig optimistisch“ ist hingegen die FDP, so ihr Regionalrat Albrecht Braun, aber auch er fordert neben „hohem Tempo“ beim Ausbau die Einbindung weiterer Partner, wie etwa der Stadtwerke. Und: es müssten wirksame Sanktionsmechanismen in den Vertrag mit der Telekom, falls der Datenverkehr nicht so zuverlässig und schnell sei wie vereinbart – und „keine Portokassenpönälchen wie bei der S-Bahn“.