Es kommt nicht oft vor, dass evangelische Kirche, der Deutsche Gewerkschaftsbund und Umweltverbände sich hinter einem politischen Ziel versammeln. Gemeinsam starten sie nun aber eine Kampagne für die Mobilitätswende – und haben eine teure Forderung.

Stuttgart - Knapp eine Million Euro pro Jahr für jede der mehr als 1000 Kommunen im Südwesten für Investitionen in den Verkehr mit Bussen, Bahnen, Rädern und zu Fuß – mit dieser Forderung ist eine Allianz aus Umwelt- und Verkehrsverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und Einrichtungen der evangelischen Kirche am Mittwoch im Hospitalhof an die Öffentlichkeit gegangen. „Wir wollen eine Milliarde Euro für eine echte Mobilitätswende“, sagte Matthias Lieb, Landesvorsitzender des ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Richtung der Parteien vor der Landtagswahl im März 2021.

 

Mehr Geld für Nah-, Rad- und Fußgängerverkehr

Das Geld soll in den Ausbau der Infrastruktur für Bahnen, Busse, den Fahrrad- und Fußgängerverkehr, in bessere Takte und günstigere Preise im öffentlichen Nahverkehr verwendet werden. Nur so seien die Klimaschutzziele zu erreichen. „Um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, braucht es einen grundlegenden Wandel in der aktuellen Mobilitätskultur,“ sagte Romeo Edel, Wirtschafts- und Sozialpfarrer in Stuttgart. Im Gegensatz zur Industrie und zu den privaten Haushalten, die in den vergangenen Jahrzehnten ihre klimarelevanten Emissionen reduziert hätten, gebe es beim Straßenverkehr noch einen großen Handlungsbedarf, so Lieb. Ziel müsse aber sein, bis 2030 eine klimaneutrale Mobilität zu erreichen. „Deshalb müssen die Leute bequem umsteigen können“, sagte er – nicht nur in Ballungsgebieten, auch in den Dörfern im ländlichen Raum.

DGB: Klimaschutz sicher Arbeitsplätze

Baden-Württembergs DGB-Chef Martin Kunzmann betonte die Bedeutung der Mobilitätswende für die Arbeitnehmer, gerade in der Automobilindustrie. „Nur wenn wir im Klimaschutz vorankommen, sichern wir Arbeitsplätze“, sagte er, „ökologische und soziale Ziele schließen sich nicht aus.“ Kunzmann forderte „deutlich mehr attraktive und bezahlbare Angebote für Berufspendler“. Die Verkehrsunternehmen müssten aber auch in Personal investieren, sagte er mit Blick auf fehlende Lokführer und Busfahrer. Dabei seien Tarifbindung und Mitbestimmung wichtig. „Wir brauchen faire Bezahlung und keine Billiglöhne im Nahverkehr“, sagte er.

Höhere Energiepreise

Stefan Frey, Vorstand im Landesnaturschutzverband, verlangte eine neue Preispolitik: Mit einer höheren Mineralölsteuer oder einer Kohlendioxid-Abgabe könne „eine Mobilitätswende mit deutlichen Angebots- und Tarifverbesserungen sowie die notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen mitfinanzieret“ werden. Frey merkte selbstkritisch an, dass auf der Kundgebung, die im strömenden Regen endete, nur Männer redeten. „Verkehrspolitik benötigt mehr weiblichen Sachverstand“, erklärte er. Die Allianz ist organisatorisch beim VCD angegliedert und hofft auf weitere Unterstützung, auch bei der Finanzierung der Kampagne (www. mobilitaetswende-bw.de).

Kritik: kein Wort zu S 21

Am Rand der Kundgebung unterstützte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zwar die Ziele der Allianz, merkte aber kritisch an, dass keine Aussage zu S 21 gemacht werde. „Es ist uns unverständlich, wie man zu dem Großprojekt im Land mit negativen Wirkungen für klimagerechte Mobilität schweigen kann“, hieß es in einem Flugblatt.