Brennpunkt City Stuttgart Wie gefährlich ist der Schlossplatz wirklich?

Der Kleine Schlossplatz am Wochenende steht im Blickpunkt. Foto: 7aktuell/Simon Adomat

Hat der OB-Referent mit seinem Brandbrief zur Lage in der Stadt übertrieben? Ein Streetworker antwortet – und ein Hilfeverein, der sich um straffällige Jugendliche kümmert.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Wem gehört abends die Innenstadt? Wie vielfältig und bunt darf es dort zugehen – oder wird’s dort schon zu bunt getrieben? In seinem Brandbrief über die Zustände eines Wochenendes rund um den Schlossplatz hat OB-Referent und CDU-Kreisvorsitzender Thrasivoulos Malliaras neue Debatten über Law and Order ausgelöst – und die Mobile Jugendarbeit bedauert, indem er dieser „viel Spaß bei solchen Zuständen“ wünscht.

 

Was der Streetworker beobachtet hat

Wie Malliaras war auch Streetworker Simon Fregin von der Mobilen Jugendarbeit an jenem Samstagabend in der Stadt. „Es waren viele junge Menschen unterwegs“, sagt er, „aber die Stimmung war weder hochaggressiv noch gefährlich.“ Auseinandersetzungen seien keine zu sehen gewesen. Im Bereich Schlossplatz hätten sich am Samstag etwa 150 Jugendliche aufgehalten, viele aus der Region und anderen Bundesländern. „Freitags sind es weniger, der Anteil der Stuttgarter ist da sehr hoch“, sagt Fregin.

Natürlich, so der Streetworker, sei die Stadt ein großer Anziehungspunkt für Jugendliche. „Aktuell gibt es weniger Alternativen, auch weil vieles coronabedingt früher zumacht“, sagt er. Dass OB Frank Nopper auf eine „Mischung aus Prävention und Repression“ setze, sei für die Mobile Jugendarbeit durchaus „der richtige Lösungsansatz“.

Lassen Anspannungen im Frühjahr nach?

Wie sieht aber die Prognose fürs Frühjahr aus, wenn nicht nur 150, sondern Tausende spätabends ins Zentrum pilgern? Am Wochenende davor hatte eine Gruppe von 40 Jugendlichen mit Böllern und Provokationen die Polizei auf Trab gehalten. Fregin setzt auf die Erfahrungen des letzten Jahres, als mit der Lockerung der Coronamaßnahmen auch „die Anspannungen nachgelassen hatten“.

Doch es gibt tiefere Ursachen – das sagt zumindest Ernst Strohmaier, dessen Verein Deutsche Jugend aus Russland sich um straffällige Jugendliche migrantischer Herkunft kümmert und ebenfalls Einblick in die Szene hat. Seine Jugendlichen und Mitarbeiter, einst selbst schwere Jungs, „bestätigen, was da beschrieben wird“, sagt er. Alkoholgelage, Müll, PS-Protzer, Drogenszene – alles unterschiedliche Gruppen.

„Eine Schicht von Nihilisten“

Die Junge Union hat die Szene am Mittwoch als „Halbstarke in Jogginghosen“ tituliert – doch das trifft es für Strohmaier nicht. „Unter den Jugendlichen ist eine Schicht von Nihilisten entstanden, die alles ablehnen“, sagt Strohmaier. Das gehe mit 13 los, betreffe vor allem die 15- bis 17-Jährigen. „Fehlende Pädagogik und fehlende Vermittlung von Werten und Normen sind jetzt auf der Straße gelandet“, sagt er. Vor allem durch Gruppendynamik befeuert.

Der Verein, der vor Jahren mit Boxen im Osten ein pädagogisches Konzept verfolgt hatte, versucht seit Sommer eine Alternative mit Räumen in anderen Stadtbezirken anzubieten. Der nötige Bewilligungsbescheid der Stadt für das Projekt steht noch immer aus.

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