Carbazol, eine dieselähnliche Flüssigkeit, soll die Brennstoffzellen alltagstauglicher machen. Es kann große Mengen Wasserstoff speichern.

Stuttgart - Derzeit kommt bei Brennstoffzellenautos der Wasserstoff für den umweltfreundlichen Antrieb aus einem Spezialbehälter. Und der muss viel Druck aushalten: mehr als 700 bar. Eine Alternative könnte nach der Vorstellung des Ingenieurs Wolfgang Arlt N-Ethylcarbazol sein, oft einfach nur Carbazol genannt - eine dieselähnliche Flüssigkeit, die Wasserstoff in großen Mengen speichern kann. Deshalb hat der Professor an der Universität Erlangen/Nürnberg jetzt einen Förderungsantrag für seine Forschung mit Carbazol beim Bundesverkehrministerium gestellt.

 

"Die Sehnsucht nach einer Energiealternative ist da", sagt Arlt. Wird dem Carbazol Wasserstoff zugeführt, wird er in die energiereiche "Perhydro-Form" überführt. Mit katalytischen Reaktionen lässt sich der Wasserstoff auch wieder freisetzen - das Carbazol wandelt sich dabei in die energiearme Form um. Diese kann dann wieder mit Wasserstoff "aufgeladen" werden - der Kreislauf schließt sich. Der benötigte Wasserstoff lässt sich dabei umweltfreundlich mit Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen produzieren, ein Tanklaster könnte das "neue Benzin" zur Tankstelle bringen. Mit dem im Carbazol gespeicherten Wasserstoff lässt sich zum einen ein umgerüsteter Verbrennungsmotor füttern. Zum anderen kann man damit Brennstoffzellen betreiben, die Strom für einen Elektroantrieb liefern.

Carbazol erhöht die Sicherheit

Das System bietet Arlt zufolge viele Vorteile. An Tankstellen müssten kaum Umbauten vorgenommen werden. "Die einzige Änderung wären zweite Tanks für das energiearme Carbazol, das über einen zweiten Ausgang der Zapfpistole abgepumpt werden müsste", sagt er. Und natürlich müsste auch das Auto zwei Tanks haben, einen für das frische und einen für das verbrauchte Carbazol. "Der Stoffkreislauf läuft hier nicht über die Atmosphäre", betont der Wissenschaftler. Es entstehe kein Kohlendioxid oder anderes schädliches Abgas. Im Vergleich zu den bereits bekannten Speichermöglichkeiten von Wasserstoff sieht er in Carbazol einen entscheidenden Sicherheitsvorteil.

Denn mit Carbazol lässt sich Wasserstoff unter normalen Bedingungen speichern. Zwar sei der in heutigen Versuchsautos übliche Druck von mehr als 700 bar absolut sicher, betont Arlt. Aber wenn der normale Bürger damit hantiere, sieht er darin eine Gefahr. "In Carbazol haben wir im Vergleich dazu 50 Prozent mehr Wasserstoff ohne zusätzlichen Druck", sagt Arlt. Ein weiterer Sicherheitsaspekt, den das Carbazol erfüllen könnte, ist die Freisetzung des hochexplosiven Wasserstoffes. Beim Carbazol erfolgt dies laut Arlt direkt im Auto. "Das Freisetzen darf nicht in böswilliger Absicht passieren", sagt er. So könne der Bürger das Gas nicht selbst aus einem Carbazoltank freisetzen.

Noch zehn Jahre bis zur Produktion

Doch trotz der Vorteile, die Carbazol bietet, hält sich die Autoindustrie zurück. Sowohl Daimler als auch BMW sehen nur Nachteile in dem Stoff, der als neues Wunderbenzin gehandelt wird. Auch Arlt weiß, dass noch viel geforscht werden muss. So würde im Moment ein Auto doppelt so viel Carbazol wie Benzin für eine Strecke brauchen und damit einen doppelt so großen Tank benötigen. "Eines unserer Ziele ist, einen Stoff zu entwickeln, der noch besser ist", sagt Arlt. Der sollte dann noch mehr Wasserstoff speichern können als Carbazol.

Zumindest die Herstellung des Wunderbenzins ist einfach. Chemiker können Carbazol aus Phenol und Ammoniak synthetisieren - also aus gängigen Produkte in der chemischen Industrie. Bis aber Carbazol als Benzinersatz produziert wird, wird den Wissenschaftlern zufolge noch sehr viel Zeit vergehen. "Es wird nicht morgen sein", sagt Arlt und schätzt, dass es eher um die zehn Jahre dauern könnte. Doch erst einmal wartet er geduldig, dass sein Förderungsantrag bewilligt wird und die Forschung richtig losgehen kann.

Hintergrund: Umweltfreundlicher Antrieb

Brennstoffzelle Wenn Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser reagiert, geschieht dies im Zuge der sogenannten Knallgasreaktion explosionsartig. In der Brennstoffzelle läuft diese Reaktion kontrolliert ab. Die dabei frei werdende Energie kann als Strom einen Elektromotor antreiben.

Speicherung Der für den Betrieb der Brennstoffzelle erforderliche Wasserstoff kann als Flüssigkeit bei extrem tiefen Temperaturen oder bei hohem Druck gespeichert werden. Möglich ist auch eine chemische Speicherung, etwa mit Hilfe von Carbazol, einer ringförmigen Kohlenwasserstoffverbindung.