Toyota will im nächsten Jahr das Brennstoffzellenfahrzeug FCV auf den Markt bringen, Daimler will mit der B-Klasse im Jahr 2017 folgen. Bis dahin soll auch das Netz an Tankstellen deutlich ausgebaut werden – denn daran hapert es zurzeit noch.

Stuttgart - Yukihiro Sonoda ist zufrieden. Der europäische Chefentwickler von Toyota testet auf dem Stuttgarter Messegelände in aller Ruhe das neue Brennstoffzellenfahrzeug von Daimler. Eine Viertelstunde fährt er Richtung Plieningen, fädelt sich in den Kreisverkehr ein und gibt dann volles Gas auf der Landstraße. Kommentarlos prüft er, was die Konkurrenz zu bieten hat. Dann bedankt er sich kurz und verbeugt sich vor dem Daimler-Ingenieur, der ihn begleitet hat.

 

„Ich habe mir die Performance des Autos angeschaut“, sagte der Japaner später. Und, ja, Toyota führe hier schon das Feld an, meint er selbstbewusst. Der japanische Konzern geht mit seinem Brennstoffzellenfahrzeug FCV in den nächsten Monaten in Serie, Daimler bringt 2017 einen Wagen der B-Klasse auf den Markt. Ein Vorserienmodell konnte im Rahmen der Stuttgarter Messe World Energy Solutions diese Woche Probe gefahren werden.

Aufbruchstimmung auf der Messe

Die Stimmung war dort ebenso wie auf der Brennstoffzellen-Fachkonferenz f-cell zuversichtlich. Endlich kann die Branche liefern – nach fast zwei Jahrzehnten Versprechungen. „Die Fahrzeuge sind ausgereift“, sagt Ulf Groos vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.

Auch ein Brennstoffzellenfahrzeug ist ein Elektroauto. Fachleute sprechen von der Brennstoffzelle bisweilen vereinfachend als einer gasbetriebenen Batterie. Während das reine Elektroauto an der Steckdose hängt, fährt das andere an die Wasserstofftankstelle. Der Fahrer nimmt die schwere Zapfpistole und steckt sie aufs Tankventil. In zwei bis drei Minuten ist der Tank gefüllt.

In der Brennstoffzelle reagieren der Wasserstoff und Sauerstoff aus der Umgebungsluft chemisch miteinander. Bei diesem Vorgang entstehen auch Abgase: Wasserdampf. Die Zelle erzeugt eine elektrische Spannung von rund einem Volt. Rund 400 Zellen schalten die Ingenieure zu sogenannten Stapeln (englisch: Stack) hintereinander. Eine Leistungselektronik sorgt dafür, dass der Elektromotor mit Strom versorgt wird. Die Steuerung und das als Katalysator benötigte Edelmetall Platin verteuern diese Technik.

Nur Details verraten die alternative Antriebstechnik

Wie man am Testfahrzeug von Daimler sieht, unterscheidet sich ein Auto mit dieser Technik äußerlich nicht von benzin- oder dieselbetriebenen. „Der Durchschnittsfahrer merkt gar nicht, dass er ein Brennstoffzellenfahrzeug fährt“, sagt Ingenieur Marc Kölmel, der bei Daimler in Nabern die Brennstoffzellen mit entwickelt. Nur der andere Tankstutzen oder die Kraftstoffanzeige von 3,14 Kilogramm Wasserstoff im Display fallen auf, was einer Reichweite von 380 Kilometern entspricht. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet fünf bis acht Euro. Bei den Verbrauchskosten liegen Wasserstoffauto und Benziner damit gleichauf.

Das Testfahrzeug von Daimler hat mit ein und derselben Brennstoffzelle 300 000 Kilometer zurückgelegt. „Das ist keine Täuschung. Das hat diese eine Brennstoffzelle geschafft“, sagt Kölmel. „Das Fahrzeug ist serientauglich“, resümiert der Ingenieur, der seit elf Jahren an der Technologie forscht. Über Stückzahlen möchte er genauso wenig Auskunft geben wie Toyota-Entwickler Sonoda in seinem Messevortrag. Die Branche rechnete mit zunächst einigen Hundert bis Tausend Stück. Bis sich die Brennstoffzelle den Markt erobert, „wird es zehn bis 15 Jahre dauern, wie bei der Einführung der Hybrid-Fahrzeuge“, schätzt Ulf Groos vom Fraunhofer-Institut.

Die Infrastruktur muss erst noch geschaffen werden

In dieser Zeit soll die Wasserstofftankstellen-Infrastruktur deutlich wachsen. Derzeit herrscht auch in diesem Feld Aufbruchsstimmung. Bislang gibt es in Baden-Württemberg fünf Tankstellen (Deutschland: 14), bis nächstes Jahr sollen acht oder gar neun dazu kommen (Deutschland: 50). Für das Jahr 2023 peilt die Branche sogar 400 Tankstellen an, vor allem in Ballungszentren. Kalifornien erweitert sein Netz von zwölf auf 46 im nächsten Jahr. Auch Großbritannien und die skandinavischen Länder bauen aus.

Fachleute sehen in der Brennstoffzelle eine Ergänzung zu rein batteriegetriebenen Elektrofahrzeugen. Während letzteres nur für leichte Fahrzeuge und kurze Reichweiten von unter 200 Kilometern (bis zum nächsten Ladezyklus) in Frage kommen, ermöglichen Brennstoffzellen große Reichweiten von mehr als 500 Kilometern. Sie eignen sich auch für schwere Fahrzeuge wie Trucks und Busse. Toyota scheint sogar ganz auf die Brennstoffzelle zu setzen: „Wir forschen zwar auch an kleineren Batteriefahrzeugen, unser Fokus liegt aber jetzt auf der Brennstoffzelle“, sagt Sonoda.

Wie beim Elektroauto auch ist aber der Preis eines Brennstoffzellenautos eine Hürde. Vom Forschungsfahrzeug bis zum Serienauto hätten die Toyota-Ingenieure die Kosten um 95 Prozent gesenkt, berichtet Sonoda. So hätten die Entwickler die Zahl der Wasserstofftanks halbiert und die Platinmenge in der Brennstoffzelle reduziert. Der Verkaufspreis der Stufenhecklimousine – die Reichweite gibt Sonoda mit 700 Kilometern an – bewege sich wahrscheinlich im Bereich von 50 000 Euro.

Der Toyota dient zur Not auch als Stromaggregat

Außerdem bietet das Toyota-Fahrzeug eine ungewöhnliche Möglichkeit. Mit einer Spitzenleistung von über 100 Kilowatt könnte das Kraftpaket auch als Notstromaggregat dienen und einen Durchschnittshaushalt für mehr als eine Woche mit Strom versorgen. Im erdbebengefährdeten Japan wird dies von der Politik gefördert.

Bleibt noch eine Frage: Wird die über Jahrzehnte in Deutschland erforschte und entwickelte Brennstoffzellentechnik auch hierzulande gefertigt werden? Oder wandert die Produktion nach Südostasien ab? Im Bereich der stationären Brennstoffzellenheizgeräte für die Strom- und Wärmeversorgung im Haushalt hat Japan längst mit 80 000 installierten Geräten die Führungsrolle eingenommen. Firmen wie Panasonic und Toshiba dominieren das Feld und beliefern auch die meisten deutschen Gerätehersteller.

Yukihiro Sonoda ist da freundlicherweise optimistisch. Die Brennstoffzellenmodule in Fahrzeugen seien im Unterschied zu Solarpanels komplexe Systeme, die immer als Ganzes und im Verbund gedacht werden müssten. Darin sieht er die Chance, die neue Technik auch in Europa zu halten.