Ein Chaos-Brexit mit einem befürchteten Desaster für Wirtschaft und Verwaltung an diesem Freitag ist vorerst abgewendet. Der Brexit soll kommen, aber erst spätestens Ende Oktober. Premierministerin May will früher raus. EU-Ratspräsident Tusk appelliert an die Briten.

Brüssel - Großbritannien und die Europäische Union haben sich auf einen Brexit-Aufschub bis zum 31. Oktober geeinigt. „Dies bedeutet weitere sechs Monate für das Vereinigte Königreich, um die bestmögliche Lösung zu finden“, schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Nacht zum Donnerstag auf Twitter.

 

Es handele sich um eine „flexible Verlängerung“, die London im Falle einer Mehrheit für den bereits vereinbarten Brexitpakt mit der EU einen früheren Austritt ermögliche. Dem Plan habe Premierministerin Theresa May zugestimmt. Zugleich stellte sie klar, die EU „so bald wie möglich“ verlassen zu wollen.

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Bislang war als Stichtag für den EU-Austrittdatum Großbritanniens der 12. April vorgesehen, ursprünglich war es der 29. März. Mit der Bitte um eine weitere Fristverlängerung bis zum 30. Juni reiste May am Mittwoch zu einem Sondergipfel in Brüssel. Mehr als einen Stunde lang warb sie vor ihren EU-Kollegen für ihr Anliegen, im Anschluss zogen sie sich zu mehr als sechs Stunden langen Beratungen zurück.

Etliche der Staats- und Regierungschefs der EU zeigten sich offen für eine Fristverlängerung, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sah eine lange Verschiebung laut einem Regierungsvertreter jedoch skeptisch. May habe keine „ausreichenden Garantien“ angeboten, die einen Aufschub rechtfertigten.

May hält früheren Brexit für möglich

Mit der Einigung auf eine Brexit-Verzögerung bis Ende Oktober zeigte sich Macron dann später zufrieden. Sie hätten den „bestmöglichen Kompromiss“ erzielt. Seine Zustimmung habe er gegeben, um „die Einheit“ der übrigen 27 EU-Mitgliedsstaaten zu „wahren“, ergänzte er vor Reportern. Großbritannien bekomme damit mehr Zeit, einen Deal auszuhandeln, um Chaos für den Handel und Reisende bei einem Austritt aus der EU zu verhindern. Es liege nun an den Briten, zu sagen, ob sie an den Europawahlen im Mai teilnehmen wollten, obwohl sie das Bündnis nur wenige Monaten später verlassen würden, mahnte Macron.

May betonte, ein Brexit bis zum 30. Juni sei nach wie möglich, falls die britischen Abgeordneten ihrem Brexit-Deal mit der EU zustimmten. Sie brachte sogar einen Austritt zum 22. Mai ins Spiel, was ihr Land von einer Teilnahme an den Wahlen zum EU-Parlament entbinden würde. Vor diesem Hintergrund stehe Großbritannien stehe nun vor wichtigen Entscheidungen. Der Zeitplan sei klar, sagte May.

Tusk appelliert an Großbritannien

Allerdings hat das Unterhaus in London ihren mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag schon drei Mal abgelehnt. May ging zuletzt für eine Kompromisssuche zum Entsetzen der Brexit-Hardliner unter ihren konservativen Parteifreunden auf die oppositionelle Labour-Partei zu, doch ist eine überparteiliche Einigung bisher ausgeblieben. Da sich kein Ausweg aus der Pattsituation abzeichnete, hatte der Staatenbund den Briten zunächst bis zum Freitag Zeit gegeben, dem Pakt doch noch zuzustimmen, einen Kurswechsel und eine Fristverlängerung anzustreben oder einen Brexit ohne jedes Abkommen in Kauf zu nehmen. Für letzteren Fall haben Ökonomen und Unternehmer vor schweren Folgen für Handel und Reiseverkehr für beide Seiten des Ärmelkanals gewarnt.

EU-Ratspräsident Tusk appellierte an Großbritannien, den Aufschub für eine Überwindung der Spaltung zu nutzen. „Lassen sie mich mit einer Botschaft an unsere britischen Freunde enden: Vergeudet bitte diese Zeit nicht.“