OB Schuster stellt seine Sicht auf S 21 in einem Schreiben an alle Abstimmungsberechtigten in Stuttgart dar. Das kostet die Stadt 130.000 Euro.
Stuttgart - Die 370.000 Wahlberechtigten, die am nächsten Sonntag in Stuttgart über die finanzielle Beteiligung des Landes an Stuttgart 21 abstimmen werden, bekommen Post vom Oberbürgermeister. In dem persönlichen Brief stellt Wolfgang Schuster (CDU) die verkehrlichen, vor allem aber die städtebaulichen Gesichtspunkte des Projektes dar, die aus seiner Sicht für Stuttgart 21 sprechen. Während die Fraktionen von CDU und SPD im Gemeinderat das Schreiben gutheißen, werfen die Grünen dem OB vor, darin die "Unwahrheit" zu sagen.
In dem dreiseitigen Brief schildert der Oberbürgermeister, was aus seiner Sicht geschieht, wenn der betreffende Adressat mit Ja für das Ausstiegsgesetz der neuen Landesregierung votiert, und was, wenn er dieses mit Nein ablehnt. Im ersten Fall werde "Schadenersatz in schwindelerregender Höhe, mehr als 1,5 Milliarden Euro, an die Deutsche Bahn" fällig. Überdies sei "völlig offen", wer die Kosten für die notwendige Sanierung des Bahnhofsgebäudes und der "riesigen Gleisanlagen" von 1,3 Milliarden Euro trage.
Auf der anderen Seite, bei einem Nein zum Ausstiegsgesetz, sieht Schuster die Vorteile für Stadt und Bürger. Dann werde Stuttgart 21 fertig gebaut, die regionalen Zugverbindungen "erheblich verbessert", Stuttgart in das europäische ICE-Schienennetz eingebunden. Weil das heutige Gleisvorfeld wegfalle, biete sich der Stadt "die historische Chance, über 100 Hektar Fläche mitten in Stuttgart zum Leben, Wohnen, Arbeiten und Wohlfühlen zu erschließen". Der Schlossgarten werde um 200.000 Quadratmeter erweitert, 5000 neue Bäume gepflanzt, die seit mehr als 100 Jahren getrennten Stadtteile Nord und Ost "wachsen wieder zusammen".
Grüne sind verärgert
Eine Computergrafik zeigt eine weite Grünfläche mit Blick auf Schloss Rosenstein, nebenan Wohnhäuser, auf dem dargestellten Areal befinden sich heute Gleise. Da die Stadt die Flächen zu einem "Durchschnittspreis von 361 Euro pro Quadratmeter gekauft" habe, werde der entstehende Wohnraum "auch bezahlbar sein", so Wolfgang Schuster.
Jochen Stopper, Stadtrat der Grünen, ist verärgert über diese Darstellung. Der Oberbürgermeister verhalte sich nicht nur nicht neutral vor der Volksabstimmung, er sage den Bürgern auch noch "die Unwahrheit". So werde in dem Brief in die Sanierungskosten des Kopfbahnhofes "alles mögliche hineingerechnet", um diese hoch ansetzen zu können. Die Vorteile von Stuttgart21 für den Regionalverkehr seien in der Schlichtung widerlegt worden, so Stopper. Die angegebenen Quadratmeterpreise für die Grundstücke seien nicht zutreffend, in diese seien die "extrem billigen" Flächen der Gäubahn eingerechnet. Berücksichtige man die Verzinsung der 459 Millionen Euro, die die Stadt 2001 für die Bahnflächen bezahlt hat, und die Verzugszinsen wegen der verspäteten Übergabe, komme man auf einen Kaufpreis "von einer Milliarde Euro", so Stopper.
95.000 Euro für das Porto
Hannes Rockenbauch, der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, beziffert die Summe, die die Stadt bei einem Ausstieg aus dem Projekt sparen würde, auf eine Milliarde Euro. Bei einem Ausstieg aus dem Projekt bräuchte die Stadt ihren Finanzierungsanteil von 240 Millionen Euro nicht aufzubringen. Dazu kämen 750 Millionen Euro, die verzinste Kaufsumme der Grundstücke, "die die Bahn dann an die Stadt überweisen müsste".
Alexander Kotz hingegen, der Fraktionschef der CDU, hält es für zwingend, dass der Oberbürgermeister vor einer solch bedeutenden Entscheidung die Bürger informiere. Dabei sei es keine Frage, dass er sich nicht neutral verhalte, sondern "zu vertreten hat, was die Haltung der Verwaltung und der Mehrheit des Gemeinderates ist". Auch SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter findet den OB-Brief gut. Wichtig findet Kanzleiter, dass Schuster "das Thema Schadenersatz herausgestellt hat". Die Darstellung des Landesverkehrsministers, der nur von 350 Millionen Euro Ausstiegskosten ausgeht, sei jedenfalls "völlig daneben".
Apropos Geld: der Brief des Oberbürgermeisters an die Stuttgarter Bürger kostet 130.000 Euro, davon sind 95.000 Euro für das Porto, sagte OB-Sprecher Markus Vogt.