Boris Palmer ist Kritik aus der eigenen Partei gewöhnt – nun kommt sie aber aus seinem engen Umfeld: In einem Brief rügt der Vorstand des Tübinger Grünen-Kreisverbands den eigenen Oberbürgermeister.

Tübingen - Boris Palmer ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Besonders die Flüchtlingspolitik hat es dem grünen Tübinger Oberbürgermeister angetan. Einige Parteifreunde halten seine Aussagen offenbar für so problematisch, dass sie sich nun direkt an ihn wenden: In einem Brief rügt der Vorstand des Tübinger Grünen-Kreisverbands den eigenen Oberbürgermeister.

 

„Deine Art der Kommunikation, und die Weise wie Du aktiv und bewusst provozierst, ist problematisch“, heißt es in dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt. Palmer solle seine Zeit lieber für nachhaltige Kommunalpolitik nutzen, „anstatt in sozialen Netzwerken mit Vulgärsprache […] für Aufsehen zu sorgen.“ Auf der Facebook-Seite des Grünen-Politikers tummelten sich mittlerweile zahlreiche Anhänger der AfD, deren Hasskommentare von Palmer toleriert würden.

Klare Worte vom Kreisvorstand

Hintergrund des Streits ist Palmers Haltung zur Flüchtlingspolitik. Der Tübinger OB hat die Grenzöffnung von 2015 immer wieder kritisiert – und sich damit allerlei Feinde in der Partei gemacht. Mit Volker Beck lieferte sich Palmer im vergangenen Jahr sogar einen öffentlichen Schlagabtausch bei Facebook.

Vor allem die Art und Weise, wie Palmer seine Positionen auf Facebook formuliert, sorgt innerhalb der Grünen für Unmut. Viel spielt sich auf Facebook ab. So etwa das Foto, das er im vergangenen Jahr auf seiner Seite hochlud. Es zeigt eine Gruppe von Männern – angeblich Flüchtlinge -, die beim Schwarzfahren erwischt wurden. „Ist es rassistisch, das zu beschreiben?“, hatte Palmer dazugeschrieben. Seine jüngste Idee: Beim Altersnachweis für junge Flüchtlinge müsse die Beweislast umgekehrt werden.

Im aktuellen Brief findet der Tübinger Kreisvorstand nun klare Worte. „Auch wenn Du meinst, Dein Profil auf Facebook sei Deine Privatangelegenheit – das ist es keineswegs“, heißt es in dem Schreiben. „Deshalb tätest Du gut daran, der Würde, die dieses Amt voraussetzt, gerecht zu werden. Du solltest beispielsweise auf fadenscheinige Ausreden, wie etwa die der Jugendsprache, verzichten.“

Palmer äußerte sich bereits zu dem Brief

In letzter Zeit häuften sich Beschwerden von Mitgliedern und Wählern, die den Kreisvorstand erreichten. Zugleich wird Palmer daran erinnert, dass er immer noch ein „grüner“ Kandidat sei: „Deine Wahlkämpfe wurden nicht nur zu großen Teilen aus Parteimitteln finanziert, […] viele Mitglieder haben Dich auch persönlich im Wahlkampf unterstützt. Daher trägst Du auch eine Verantwortung gegenüber der grünen Basis […] und bist nicht losgelöst von der Partei.“

Der Brief endet mit einem Appell: Man sei jederzeit bereit für offene Gespräche. Dafür müsse der OB aber auch bereit sein, Gegenargumente zuzulassen und vom Gedanken „Allein ich habe recht“ abrücken.

Auf Nachfrage äußerte sich Palmer am Montag nur vage zu den Vorwürfen. „Ich bin in regelmäßigem Austausch mit den Mitgliedern des grünen Kreisverbandes und dabei gibt es auch Meinungsverschiedenheiten“, so Palmer. „Die diskutieren wir, wie es sich in einer demokratischen Partei gehört.“