Die Integrationsbeauftragte des Bundes und eine Unternehmerinitiative fordern vom Land mehr Kulanz für Flüchtlinge, die eine Beschäftigung haben. Aus Sicht des Innenministeriums tut Baden-Württemberg diesbezüglich schon alles rechtlich Mögliche.

Berlin - In der Frage, wie künftig mit gut in der Arbeitswelt integrierten Flüchtlingen ohne Aufenthaltsrecht umzugehen ist, gibt es große Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Land, aber auch in der Südwest-CDU. Für Wirbel sorgt ein Brief von Annette Widmann-Mauz, die Parteivize im Land und zugleich die für Integration zuständige Staatsministerin im Bundeskanzleramt ist. In dem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben verlangt sie von Thomas Strobl, dem Stuttgarter Innenminister und Chef der Landespartei, Ermessensspielräume bei geduldeten Migranten in Arbeit großzügiger zu nutzen. So sollten „die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um das Potenzial der Personen zu nutzen, die erlaubt beschäftigt sind“.

 

Konkret geht es darum, mehr „Ermessensduldungen“ zu erteilen – wenn Betroffene nicht die Kriterien für die neue Beschäftigungsduldung erfüllen, die es vom 1. Januar an gibt. Voraussetzung dafür ist, dass Flüchtlinge bereits ein Jahr lang geduldet und 18 Monate in Arbeit waren. Widmann-Mauz nimmt eine Position der Unternehmerinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“ auf, wenn sie eine Duldung auch für jene fordert, die „die zwölfmonatige Vorduldungszeit oder die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten 18 Monaten (noch) nicht erreicht“ haben. Sie bittet Strobl, einen entsprechenden Erlass „noch einmal zu prüfen“ und „zeitnah zu ergänzen“. Es sei wichtig, „dass die vorhandenen rechtlichen Spielräume in den Ländern nun genutzt werden“, sagte sie unserer Zeitung: „Das ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch der Wirtschaftlichkeit.“

Das Innenministerium hält das Ansinnen zwar für nachvollziehbar, verweist aber auf begrenzten Ermessensspielraum des Landes. Wohl aber schaffe der erwähnte Erlass Planungssicherheit. „Wir üben Bundesrecht, das erst ab 2020 gilt, schon heute in der der Verwaltungspraxis aus“, teilte eine Sprecherin mit. Dadurch könne man „weitestgehend vermeiden, dass im Laufe dieses Jahres Ausländer und ihre Familienangehörigen abgeschoben werden, obwohl sie bereits die Voraussetzungen der künftigen Beschäftigungsduldung erfüllen“. Ein weitergehender Bundesratsantrag im Sinne von Widmann-Mauz habe keine Mehrheit gefunden. Zudem habe Baden-Württemberg etwa auch Qualifizierungen im Vorfeld einer Ausbildung als Duldungsgrund akzeptiert.

Markus Winter, Geschäftsführer der IDS Holding und Mitglied der Unternehmer-Initiative, übt dennoch harte Kritik: „Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, das Problem sei gelöst – ist es aber nicht: Ich befürchte, dass viele der 80 Flüchtlinge in meinem Betrieb abgeschoben werden.“

Zahlen des Innenministeriums zufolge sind in Baden-Württemberg 18 000 Personen ohne Bleibeperspektive im erwerbsfähigen Alter. Bei 32 000 weiteren Arbeitnehmern läuft das Asylverfahren noch.