Nicht der als gefühlskalt und herablassend kritisierte Präsident Emmanuel Macron überstrahlte den Wahlabend in Frankreich, sondern seine Frau Brigitte. Ein sehr politischer Umstand.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Während der monatelangen Wahlkampagne war sie kaum in Erscheinung getreten. Doch am Sonntagabend gab es nur noch Brigitte Macron. Die Livekameras waren auf die Präsidentengattin gerichtet, als sie neben Emmanuel zum Marsfeld schritt, wo er seine erste Rede als wiedergewählter Staatschef hielt. Er sagte, dass er der Präsident aller Franzosen sein wolle und dass jetzt eine neue Ära beginne. Bahnbrechend wirkte das nicht.

 

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Dann erwischte eine Journalistin des größten öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders Frankreichs, France 2, im allgemeinen Trubel die Präsidentengattin. Und was sie ins Mikrofon sagte, wirkte nicht abgedroschen, sondern sehr spontan und sehr emotional. Dieser Wahlabend zeige, dass in Frankreich doch noch das Wohlwollen über die Wut siege, erklärte sie. „In diesem Land ist eben alles möglich“, sagte sie in die verwackelte Kamera. „Deshalb ist Frankreich das schönste Land der Welt!“

Ob denn dieses Land nicht auf beunruhigende Weise gespalten sei, fragte die Reporterin. „Vielleicht werden sich die Dinge nun ändern“, antwortete Brigitte Macron, ohne zu überlegen. „Mein Mann hat wirklich den Willen, die Dinge zu verändern. Ich habe ein immenses Vertrauen in ihn.“

Händchen haltend am Eiffelturm

Von Emmanuel Macrons erster Wahl 2017 bleibt das Bild haften, wie er gemessenen Schrittes – und vor allem: allein – zur Redetribüne vor der Louvre-Pyramide schritt. Von der Wiederwahl 2022 werden die Franzosen nun in Erinnerung behalten, wie das Präsidentenpaar Brigitte und Emmanuel Händchen haltend auf die beim Eiffelturm wartenden Fans zugingen. Zusammen traten sie auf die Bühne, zusammen sangen sie mit der Menge die „Marseillaise“.

Die Paarinszenierung, die vielleicht in den USA üblich wäre, nicht aber in Paris, machte etwas klar: Brigitte Macron ist das „Herz Ass“ des Präsidenten. Er wird als gefühlskalt und herablassend kritisiert. Brigitte Macron ist dagegen überaus populär, wie die 25 000 Briefe belegen, die sie im Élysée-Palast jährlich erhält. Ihr sehr persönlicher, gestylter Look kommt ebenso gut an wie ihre volksnahe Sprache. Ohne viel Aufhebens verfolgt sie soziale Projekte; unterrichtet etwa Arbeitslose.

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Dass sie vor zwei Wochen 69 geworden ist, gereicht ihr auch nicht zum Nachteil. Im Gegenteil sehen ihre Landsleute immer wieder, wie sich Macrons ehemalige Lehrerin über ihr Alter lustig macht. Schon bei seiner ersten Kandidatur vor fünf Jahren hatte sie einmal frisch von der Leber gesagt, er müsse sich sputen – denn bald werde er nicht mehr kandidieren können angesichts bei der undenkbaren „Visage“ (tronche), die sie mit zunehmendem Alter haben werde.

Mit solchen flapsigen Sprüchen zeigte sie auch auf, dass sie den 25-jährigen Altersunterschied zu ihrem Mann keineswegs als peinlich empfindet. Ihre Zweierbeziehung bleibt nach bald zwanzig Jahren eine Liebesgeschichte. Davon zeugt ein berührender Schnappschuss vom Wahlabend: Als Macrons Wiederwahl klar wird, küsst er inmitten des allgemeinen Freudentaumels als Erstes seine Brigitte, die vor Aufregung beide Hände vors Gesicht geschlagen hat.

Ein „Landesvater“ ohne Kinder

Solche nicht gestellten Bilder dürften im nationalen Unterbewusstsein sogar stärker wirken als die wahlpolitische Inszenierung. Nicht zufällig lief neben Emmanuel Macron auch ein unbekanntes Mädchen mit, dem der Präsident sein Hand auflegte. Damit wollte er wohl vergessen machen, dass er selber keine Kinder hat – ein Nachteil für das Storytelling vom präsidialen „Landesvater“, der seine Landsleute beschützt.