Arte schildert in mehreren Dokumentationen an einem Abend, wie Kindheit in den Milieus gewaltbereiter Fanatiker aussieht. So werden deutsche Rechtsextreme und Dschihadisten im Irak nahe aneinander gerückt.

Stuttgart - Vermutlich ist das die abscheulichste Karikatur eines Weihnachtsmanns, die man je sehen wird. Irgendwo im Nordirak hockt ein bärtiger Mann, der zu Besuch gekommen ist, vor einer Gruppe Kinder. Er hat tatsächlich eine Art Geschenkesack bei sich, aus dem er für jeden der Jungen ein Päckchen hervorkramt. Nur enthält das kein Spielzeug, sondern eine tarngefleckte Uniform in Kindergröße. Der Gabenbringer ist ein Rekrutierer der islamistischen Al-Nusra-Front, der Kindersoldaten für den Heiligen Krieg einsammelt. Die Kamera wird bald zeigen, wie die noch nicht einmal im Mofa-Alter Angekommenen für Kampfeinsätze und Selbstmordanschläge gedrillt und hirngewaschen werden.

 

Die Szene stammt aus Talal Derkis Dokumentarfilm „Of Fathers and Sons“, den Arte heute um 21.45 Uhr zeigt, umrahmt von zwei thematisch verwandten Werken. Derki, 1977 in Damaskus geboren, war dem Krieg in Syrien schon sicher entflohen, als er sich zurück in äußerste Lebensgefahr begab. Er beobachtete, unter dem Vorwand, einen Propagandafilm fürs Neue Kalifat drehen zu wollen, den Alltag der Dschihadisten im Nordirak.

In den Ruinen von Mossul

Besonderes Augenmerk hat Derki dabei auf den Umgang mit den Kindern gelegt und Dokumente einer kaum nachvollziehbaren Schizophrenie gefunden. Hier blüht ein Vaterstolz, der den eigenen Kindern zugleich den Heldentod wünscht, hier wuchert ein Hass, der sich als positivstes Gefühl überhaupt versteht. Wenn er seine Liebe zum Islam einmal aus sich herausließe, sagt einer der Protagonisten, der mit mitleidloser Ruhe als Scharfschütze auf Menschen anlegt, müsste der Planet Erde in Planet Liebe umbenannt werden.

„Of Fathers and Sons“ zeigt Islamisten, die noch siegesgewiss sind. Der im Anschluss (23.20 Uhr) zu sehende Dokumentarfilm „Verlorene Seelen – Die Kinder des IS“ von Francesca Mannocchi und Alessio Romenzi führt in die Ruinen von Mossul nach der Befreiung von der Islamistenherrschaft. Auf die Frage, wie Sieger und Besiegte künftig miteinander leben sollen, findet sich nicht der Ansatz einer Antwort. Stattdessen werden wir mit Kindern und Jugendlichen konfrontiert, die zuvor von den IS-Einpeitschern verhetzt wurden und sich nun als Opfer erleben, als Ausgegrenzte und Gedemütigte. Auch hier kann man den Spagat des Denkens kaum fassen: Exekutionen von tatsächlichen oder angeblichen IS-Kämpfern werden als schreiendes Unrecht empfunden, die Hinrichtungen vermeintlich Ungläubiger, die dem vorausgegangen waren, als glorreiche Taten zum Wohlgefallen Gottes.

Vorsicht, charmante Rechtsaußen

Vor diesen beiden Filmen zeigt Arte um 20.15 Uhr den Dokumentarfilm „Kleine Germanen“ von Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger, die nachzeichnen wollen, wie Kinder rechtsextremer Eltern in Deutschland und Österreich in Filterblasen früh geprägt werden.

Aussagen von Aussteigern und Experten mischen sich mit nachgespielten Szenen, die durch Übermalen zum Animationsfilm verfremdet werden. Es kommen auch führende Köpfe der rechten Szene zu Wort, Götz Kubitschek etwa, die sich so besonnen und charmant wie möglich geben. So wird immerhin ein wenig verständlicher, was einem angesichts eines Mobs Hassparolen Brüllender absurd vorkommen mag: dass jemand in dieser Szene Geborgenheit, Anerkennung und die Illusion positiver Aufbauimpulse finden kann. Problematisch bleibt die Kopplung mit den Filmen über das Kalifat. Neben der Erziehung zum Selbstmordbomber bekommt das Einschwören deutscher Kinder auf germanische Heldenmythen trügerischerweise etwas bloß Spleeniges.

Ausstrahlung: Arte, Dienstag, 19. November 2019, ab 20.15 Uhr