Brisante Erkenntnisse dank Razzia: Noch vor seinem offiziellen Wechsel stand der Chef der Dualen Hochschule bei der Stiftung des Lidl-Gründers Schwarz unter Vertrag. Der zuständigen Ministerin wurde das Ausmaß der Nebentätigkeit verschwiegen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Heilbronn - Bei den Korruptions-Ermittlungen gegen den früheren Präsidenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Reinhold Geilsdörfer, und die Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz gibt es brisante Erkenntnisse. Schon Monate vor seinem Amtsantritt als Geschäftsführer in diesem Februar soll Geilsdörfer der Stiftung vertraglich verbunden gewesen sein – zunächst als Berater für eine monatlich vierstellige Vergütung, dann sogar als Teilzeit-Geschäftsführer mit fünfstelligen Bezügen. Dies wurde nach Informationen unserer Zeitung bei einer Durchsuchung der Staatsanwaltschaft Heilbronn Ende Mai bekannt. Sie ermittelt im Zusammenhang mit dem nahtlosen Wechsel von Geilsdörfer zur Dieter-Schwarz-Stiftung wegen Bestechlichkeit und Bestechung.

 

Erst in Folge der Razzia soll Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) erfahren haben, in welchem Ausmaß Geilsdörfer bereits als DHBW-Chef für die Stiftung tätig war. Genehmigt hatte ihr Haus nur die Nebentätigkeit als Berater, die im Sommer 2015 begann; dafür soll er 3000 Euro monatlich erhalten haben. Im Herbst 2015 wurde der noch amtierende Hochschul-Präsident dann bereits als Geschäftsführer mit einer Art halbem Deputat unter Vertrag genommen; für zweieinhalb Tage pro Woche waren 12 500 Euro als monatliche Vergütung vereinbart.

Ministerin Bauer ist hoch befremdet

Das Wissenschaftsressort wusste davon nichts und hätte es auch nie genehmigen können: Nebentätigkeiten dürfen nach dem Beamtenrecht nicht mehr als einen Tag pro Woche beanspruchen. Bauer soll über den Vorgang außerordentlich befremdet sein, hört man aus Kreisen des Ministeriums. Sie hatte Geilsdörfer stets gegen den Verdacht der Bestechlichkeit in Schutz genommen: Die Entscheidungen zugunsten des DHBW-Standortes Heilbronn, der von der Schwarz-Stiftung massiv gefördert wird, seien von den Gremien gedeckt gewesen.

Die Staatsanwaltschaft Heilbronn wollte sich zu den Nebentätigkeiten Geilsdörfers zunächst nicht äußern. Zum Gegenstand der laufenden Ermittlungen könne man derzeit keine Auskünfte geben, sagte eine Sprecherin unserer Zeitung. Ende Mai hatte die Behörde Durchsuchungen an drei DHBW-Standorten, in den Privaträumen Geilsdörfers und in Geschäftsräumen der Schwarz-Stiftung bestätigt. Dabei seien „Unterlagen und Dateien“ sichergestellt worden – darunter offenbar auch die Verträge. Auch die Schwarz-Stiftung lehnte eine Stellungnahme mit Verweis auf das schwebende Verfahren ab. Nach dessen Abschluss werde man sich äußern.

Ministerium bittet Ermittler um Auskunft

Wissenschaftsministerin Bauer ließ einen Sprecher mitteilen, aus Gründen des Personaldatenschutzes könne man sich nur sehr eingeschränkt zur Nebentätigkeit einer konkreten Person äußern. Ausnahmen von der Regel, dass Nebentätigkeiten höchstens einen Tag pro Woche in Anspruch nehmen dürften, seien nicht möglich. Das Ministerium habe „also auch mit Herrn Geilsdörfer keine andere Regelung vereinbart, da dies nicht zulässig wäre“. Etwaige Änderungen bei Nebentätigkeiten seien „unbedingt anzuzeigen“, darauf werde in den Genehmigungen „stets nochmals hingewiesen“. Geilsdörfer soll dies unterlassen haben – offenbar auch vor dem Hintergrund, dass er auf Bitten des Landes einige Monate länger als DHBW-Chef im Amt blieb; sein Nachfolger Arnold van Zyl kam nämlich später als erwartet.

Laut dem Sprecher hat das Ministerium die Staatsanwaltschaft inzwischen gebeten, die Ermittlungsergebnisse zur Verfügung zu stellen. Man wolle prüfen, ob „Anlass für Maßnahmen“ bestehe oder eine „Neubewertung des Sachverhalts“ erforderlich werden könne. Zwischen „mutmaßlich unerlaubten Nebentätigkeiten“ und dem Korruptionsverdacht sei aber strikt zu unterscheiden, betonte der Sprecher.

Dubiose Rolle von Ex-Minister Frankenberg

Die Schwarz-Stiftung hatte per Pressemitteilung angegeben, Geilsdörfer sei „seit Anfang Februar 2016“ neuer Geschäftsführer. Auch der Eintrag im Handelsregister erfolgte erst Anfang Februar. Die Frage, ob damit die Öffentlichkeit getäuscht wurde, wollte der Stiftungssprecher zunächst nicht beantworten. Auch die Rolle von Verantwortlichen der Stiftung ließ er offen. Den Beratervertrag mit Geilsdörfer soll dessen Vorgänger Erhard Klotz (SPD) unterschrieben haben, Jurist und einst Ministerialdirektor im Innenministerium. Als Geschäftsführer wurde der DHBW-Chef offenbar vom früheren Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) verpflichtet. Der Geograf Frankenberg ist seit 2013 Gesellschafter der Stiftung und inzwischen Vorsitzender der Gesellschafterversammlung. Beide sollten aufgrund ihrer früheren Ämter mit den Grundzügen des Nebentätigkeitsrechts vertraut sein.

Die Duale Hochschule und die Stiftung betonen zudem stets die Bedeutung von Regeltreue, Fachbegriff: Compliance. Geilsdörfer hatte bei der DHBW sogar einen Compliance-Kodex initiiert, in dem es sinngemäß hieß, schon der böse Schein einer Verquickung dienstlicher mit privaten Interessen sei zu vermeiden. Die Stiftung unterhält mit der German Graduate School in Heilbronn eine private Hochschule, zu deren Schwerpunkten Compliance gehört.

Wie das Justizministerium informiert wurde

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Die Ermittlungen um den einstigen DHBW-Chef und die Schwarz-Stiftung sind ein „Berichtsfall“, über den das Justizministerium in Stuttgart unterrichtet wird. Laut einem Sprecher wurde man im September 2015 über die Strafanzeige informiert, die das Verfahren auslöste. Erst im März 2016 habe die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart mitgeteilt, dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft zunächst kein Verfahren einleiten wollte und sie aufgrund einer Beschwerde die Heilbronner Behörde damit beauftragt habe. Die Prüfung dieser Entscheidungen habe keinen Anlass ergeben, um im Wege der Dienstaufsicht tätig hzu werden, sagte der Sprecher. Auf die Frage, warum Ermittlungen erst abgelehnt und dann doch aufgenommen würden, verwies er auf den „weiten Beurteilungsspielraum“ bei der Prüfung eines Anfangsverdachts; dieser ist Voraussetzung für ein Verfahren.