Der Rat der Religionen läutet in Stuttgart unter Susanne Jakubowski eine neue Ära ein und veranstaltet erstmals eine Diskussion zu einem brisanten Thema.

Stuttgart - Lange Zeit herrschte beim Rat der Religionen eine Art Hinterzimmer-Mentalität. Man tagte hinter verschlossenen Türen und verlautbarte dann und wann etwas. Da nun Susanne Jakubowski als Koordinatorin seit Oktober dem Rat vorsitzt, soll sich in dieser Hinsicht einiges ändern. Alleine die gute Zusammenarbeit sowie der rege Austausch genügen ihr nicht. „Das alles ist schön und gut. Aber am Ende sollten wir ein bisschen mehr machen“, sagte sie, nachdem sie den Vorsitz von Ali Ipek (DITIP) übernommen hatte. Nur an Gedenktagen,bestimmten Anlässen oder Feierstunden als Rat der Religionen präsent zu sein, ist ihr zu wenig: „Wir müssen auch andere Gelegenheiten finden, vielleicht auch frohe, an denen die Menschen und Religionen zum gesellschaftlichen Miteinander finden. Vielleicht kann ich dazu beitragen.“

 

Jukubowski löst Versprechen ein

Nun hält Susanne Jakubowski Wort. Der Rat der Religionen lädt für Montag, 22. November, um 18 Uhr im Haus der Katholischen Kirche (Königstraße 7) erstmals zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Titel: „Religion – bedroht oder Bedrohung?“

Anlass für das Thema ist ein aktueller Bericht des Bundeskriminalamtes. Danach haben sich Angriffe auf Vertreter von Religionen oder Einrichtungen von Religionsgemeinschaften im Jahr 2020 fast vervierfacht. Immer häufiger habe Hasskriminalität einen religiösen Bezug. Auch in Stuttgart waren Religionsgemeinschaften Bedrohungen und Übergriffen ausgesetzt. Es gibt aber auch die andere Seite: Extremisten, die mit fundamentalistischen religiösen Überzeugungen Hass auf andere legitimieren. 70 Prozent dieser Angriffe richteten sich den Angaben des BKA zufolge gegen Vertreter jüdischer Gemeinschaften, rund ein Viertel gegen Repräsentanten muslimischer Religionsgemeinschaften. 90 Prozent der Straftaten seien rechtsextrem motiviert gewesen.

Rat der Religionen tritt nach außen

Der Rat der Religionen in Stuttgart nimmt diese Entwicklungen nun zum Anlass, darüber in eine Diskussion zu treten. Der Blick soll sich an diesem Abend vor allem auch auf die Situation in Stuttgart richten. Deshalb werden Frauen und Männer unterschiedlicher Religionsgemeinschaften über ihre Erfahrungen berichten und von ihren Ängsten und Sorgen sprechen. Welche Reaktionen erntet man, wenn man sich mit einer Kippa auf Stuttgarts Straßen zeigt? Welchen Ressentiments sind Muslime im Alltag ausgesetzt? Müssen Stuttgarter Moscheen besser geschützt werden?

Diradur Sardaryan von der armenischen Gemeinde in Stuttgart wird zudem darüber berichten, wie die Gemeinde auf die Bombendrohung vom April 2019 reagiert hat und welche Ängste die Drohung wachgerufen hat. Mitdiskutieren werden außerdem: Ali Ipek von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Deniz Kiral von der Alevitischen Gemeinde und Susanne Jakubowski aus dem Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) sowie der Ordnungsbürgermeister Clemens Maier als Religionsbeauftragter der Stadt Stuttgart.

Es gibt aber auch die andere Seite, die an dem Abend ebenfalls diskutiert werden soll: Religion, die instrumentalisiert wird, um Anschläge zu rechtfertigen, die benutzt wird, um Straftaten zu legitimieren. Dann wird Religion zur Bedrohung. Auch in Stuttgart gibt es Religionsgemeinschaften, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weil sie rechtsstaatliche Grundsätze nicht anerkennen und die deshalb auch nicht in den Rat der Religionen aufgenommen werden.

Nach den Statements der Vertreter der Religionsgemeinschaften und einer Podiumsdiskussion haben die Besucher die Möglichkeit, ihre Fragen einzubringen. Moderiert wird der Abend von der SWR-Journalistin Verena Neuhausen. Der Eintritt ist frei, der Zutritt ist allerdings nur für immunisierte Personen möglich (2G). Eine Anmeldung ist erforderlich über das Katholische Bildungswerk Stuttgart, Telefon 07 11/70 50 - 600 oder über die Homepage des Bildungswerks www.kbw-stuttgart.de.