Britt Daniel macht mit Spoon Rock’n’Roll für Leute, die Rock’n’Roll langweilig finden. Am 7. Juni beginnt die US-Band in der Manufaktur in Schorndorf ihre Deutschlandtour – ein Gespräch über TV-Serien, Krautrock, die Bee Gees und das Aufwachsen in einer texanischen Kleinstadt.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Die Songs von Britt Daniel können aufmüpfig rumpeln, einen mit atmosphärischen Grooves einlullen oder elektrisiert zappeln lassen. Mit seiner Band Spoon macht der Texaner Indierock für Fortgeschrittene, lässt knurrige Riffs gerne mal auf kuriose Beats treffen. Am Donnerstag gastieren Spoon in der Manufaktur in Schorndorf.

 
Mr. Daniel, immer wenn ich den Fernseher anschalte, höre ich früher oder später eines Ihrer Lieder. TV-Serien wie „Bones“, „Die Simpsons“, „House“, „Chuck“ oder „How I met your Mother“ sind voller Spoon-Songs. Werden Sie da jedes Mal vorher gefragt? Und sagen Sie ab und zu auch Nein?
Ja, wir müssen das stets abnicken. Und ab und zu lehnen wir auch ab. Wir sind bei Fernsehserien aber nicht so pingelig wie bei Werbespots. Letztlich ist es ja toll, wenn wir mit TV-Serien Leute erreichen, die uns sonst nie hören würden.
Serienfans kennen Sie deshalb auch eher als den Typen, der in „Veronica Mars“ in einer Karaoke-Bar das Lied „Veronica“ singt.
Ja, das war ganz lustig. Auch wenn ich mit meiner Interpretation des Songs von Elvis Costello nicht ganz zufrieden bin.
Wichtiger für die Geschichte Ihrer Band ist aber ein anderes Lied. Sie verdankt ihren Namen dem Song „Spoon“, den die deutsche Krautrockband Can im Jahr 1972 aufnahm. Gefällt Ihnen der Song immer noch?
Klar, das ist ein cooles Lied. Wir spielen es zurzeit immer am Ende unserer Shows. Ich mag diesen starken Rhythmus, diesen Willen zum Minimalismus. Dinge, die auch in unserer Musik wichtig sind.
Heute sogar mehr als im Jahr 1993, als Sie Spoon gründeten.
Ja, als wir anfingen, waren wir einfach eine dreiköpfige Rockband mit Gitarre, Bass und Schlagzeug, die wie Wire oder Gang of Four klingen wollte. Ein bisschen haben wir uns inzwischen weiterentwickelt.
Ihre erste musikalische Liebe waren aber nicht der britische Postpunk oder der deutsche Krautrock, sondern die Bee Gees.
Ja, das war die erste Band, die ich entdeckte, als mir erlaubt wurde, zu Hause den Plattenspieler zu benutzen. Damals war ich sieben Jahre alt. Mein Vater hatte einige Bee-Gees-Platten, und ich konnte gar nicht genug von dieser Musik bekommen – und verbrachte auch viel Zeit damit, die Plattencover mit diesen drei sensationellen Typen anzustarren.
Haben auch die Bee Gees Ihre Musik beeinflusst? In Stücken wie „Hot Thoughts“, dem Titelsong Ihres aktuellen Albums, oder in „I turn my Camera on“ könnte man durchaus Einflüsse der Bee Gees vermuten.
Was ich wirklich an den Bee Gees mochte, war Barry Gibbs Songwriting. Er hat absolute Klassiker geschrieben – in ganz unterschiedlichen Genres. Und wenn man sich die Songs der Bee Gees aus der Disco-Ära genau anhört, stellt man fest, dass auch diese sehr solide gearbeitet sind. Barry Gibb hatte ein außergewöhnliches Ohr für melancholische Melodien.
Wir haben uns schon einmal vor elf Jahren unterhalten. Damals war das Album „Ga Ga Ga Ga Ga“ erschienen, bei dem Sie anfingen, zu experimentieren und mit atmosphärischen Sounds zu arbeiten.
Ja, auf der Platte gibt es den Song „The Ghost of you lingers“, in dem wir uns auf weit entferntes Terrain wagen. Der ist alles andere als ein Popsong. Damals waren wir sehr in Experimentierlaune. Das Songwriting unterschied sich zwar nicht so sehr von den vorherigen Platten, aber wir haben unser Repertoire mit vielen Effekten ordentlich aufgepeppt.
Elektronik spielt eine immer größere Rolle in Ihren Songs. Das Album „Hot Thoughts“ kommt erstmals ganz ohne Akustikgitarre aus. Wie soll das weitergehen? Wird es auf der nächsten Platte gar keine Gitarre geben?
Möglicherweise. Vielleicht wird es aber auch eine Platte, die wir nur mit Gitarren einspielen. In Zeiten wie diesen, in denen Rock ’n’ Roll für tot erklärt wird, hätte ich allergrößte Lust, eine ganz nach vorne gehende Rock-’n’-Roll-Platte zu machen. Nur so aus Trotz.
Unterscheiden sich Gitarrenrock und elektronische Musik grundsätzlich?
In der Struktur sehe ich eigentlich keinen großen Unterschied. Es ist nur eine Frage der Inszenierung. Jeder Song kann – je nachdem, wie du dich entscheidest, zu Disco, Elektro oder Rock ’n’ Roll werden.
Sie sind in der texanischen Kleinstadt Temple aufgewachsen – weit weg von den Hochburgen des Rock ’n’ Roll. War das eine schwierige Zeit?
Ja, wie die Stadt Odessa aus der TV-Serie „Friday Night Lights“ ist Temple eine Stadt, in der sich alles um Highschool-Football dreht. Tatsächlich waren die Städte immer Konkurrenten, wenn es um die Staatsmeisterschaften ging; mal hat Odessa gewonnen, mal Temple. Allein die Tatsache, dass ich so was weiß, ist ziemlich verstörend, finde ich. Hier gab es nur Football, Cowboys und Rednecks. Ich hatte große Mühe, Leute zu treffen, die ähnliche Interessen wie ich hatten – nicht nur musikalisch.
Hätten Sie sich gewünscht, woanders in der Welt zu leben?
Ich war damals total fasziniert von London, ich dachte, alles, was dort passiert, ist superaufregend. Den Eindruck bekam ich, weil ich britische Magazine wie den „NME“ oder „Melody Maker“ las, die ein seltsam verzerrtes Bild in meine Kleinstadtwelt projizierten. Ich sah, dass in England unglaublich viele coole Dinge passierten. Natürlich wollte ich dort leben. Aber selbst nach Austin zu reisen war ein Riesenschritt vorwärts. Und als ich das erste Mal nach London kam, war dort die Zeit von Spaceman 3 und Julian Cope längst vorbei und alle Leute interessierten sich dort für irgendwelche fürchterlichen Musiktrends, an die ich mich heute glücklicherweise schon gar nicht mehr erinnern kann.

Konzert Spoon beginnen an diesem Donnerstag in der Manufaktur in Schorndorf eine kleine Deutschlandtournee. Im Vorprogramm ist And The Golden Choir zu sehen (Beginn: 20.30 Uhr). Weitere Termine sind: Funkhaus Berlin (8. Juni) und Täubchenthal Leipzig (9. Juni).