Das Broken-Heart-Syndrom sieht auf den ersten Blick aus wie ein Herzinfarkt, doch es ist eine eigene Erkrankung. Mediziner empfehlen, bei der Diagnose genauer darauf zu achten.

Stuttgart - Nicht jeder Herzinfarkt ist tatsächlich einer. In etwa zwei Prozent der Fälle handelt es sich um das Broken-Heart-Syndrom, das Syndrom des gebrochenen Herzens. Das Herz kann sich in solchen Fällen vorübergehend nicht richtig zusammenziehen, daher ist die Pumpleistung verringert. Auslöser können extreme, meist negativ empfundene Stresssituationen wie etwa eine niederschmetternde medizinische Diagnose oder der Tod eines geliebten Menschen sein.

 

Wenn die Erkrankung akut ist, sei typischerweise die gesamte Vorderwand und die Spitze des Herzens deutlich weniger beweglich als normal, sagt der Kardiologe Joachim Weil, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. „Es ist, als wenn das Herz in eine Winterstarre gefallen wäre.“ Problematisch ist, dass sich die Symptome von Infarkt und Broken-Heart-Syndrom, das auch als Stress-Kardiomyopathie oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie bekannt ist, zum Verwechseln ähnlich sind. Deshalb spricht in der Regel alles zunächst einmal für einen Herzinfarkt, „weswegen“, so Weil, „die Stress-Kardiomyopathie häufig zuerst übersehen wird“. Das EKG und die Ultraschalluntersuchung zeigen typische Veränderungen eines Herzinfarktes. Deshalb muss man genauer schauen: „Es sind keine sichtbaren Verengungen der Herzkranzgefäße feststellbar. Bei einem Herzinfarkt würde man dagegen die Überbleibsel eines Verschlusses erkennen.“

Zu viel Adrenalin könnte das Herz zu stark reizen

Was genau im Herzen infolge der großen Menge an Stresshormonen passiert, war bisher unklar. Ein im medizinischen Fachblatt „Circulation“ veröffentlichter Tierversuch deutet nun darauf hin, dass die vorübergehende Pumpschwäche des Herzens wohl ein Selbstschutzmechanismus des Körpers ist. Bei Stressreaktionen schütten die Nebennieren das Hormon Adrenalin in großen Mengen aus, das vermutlich das Broken-Heart-Syndrom verursacht. Normalerweise regt Adrenalin die Herztätigkeit an, was in stressigen Situationen die Sauerstoffversorgung des Körpers verbessert. Doch bei zu großen Mengen reduziert das Herz seine Pumpleistung, der Herzmuskel zieht sich dann seltener zusammen. Der Körper verändert offenbar seine Reaktion auf Adrenalin, um eine Überstimulierung des Herzens zu verhindern.

Sollten sich diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen, wäre es demnach wichtig, ein Broken-Heart-Syndrom möglichst frühzeitig zu erkennen, um eine falsche adrenalinlastige Therapie zu vermeiden. Einige zur Behandlung eines Herzinfarkts eingesetzte Beta-Blocker verstärkten nämlich in der Studie die Symptome – glücklicherweise ohne die Sterberate der Versuchstiere zu erhöhen.

Solange die Erkrankung in der akuten Phase ist, können Komplikationen wie Rhythmusstörungen und Kammerflimmern auftreten, weswegen etwa ein Prozent der Patienten sterben. Bei allen anderen Betroffenen kann es Tage bis Wochen dauern, bis das Herz wieder normal arbeitet. Deutsche Mediziner – unter anderem vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck – haben bereits 2008 und 2010 in zwei Publikationen gewarnt, dass das Syndrom mit einer Krebserkrankung – vorher oder nachher – zusammenhängen könnte. „Patienten mit BrokenHeart-Syndrom leiden mehr als doppelt so oft im Vergleich zur deutschen Normalbevölkerung an Krebs“, so der Lübecker Forscher Christof Burgdorf.

Auch eine Krebserkrankung geht mit hohem psychischem Stress einher. Die Mediziner vermuten daher, dass ein Broken-Heart-Syndrom auch ein Begleitsyndrom einer Krebserkrankung sein kann – verursacht durch vom Tumor freigesetzte Hormone oder Entzündungsstoffe. „Das Broken-Heart-Syndrom scheint doch nicht so harmlos zu sein, wie wir lange annahmen“, sagt Christof Burgdorf. „Die Langzeitprognose ist bei den Patienten nicht besser als bei jenen mit akutem Herzinfarkt.“ Und er gibt einen wichtigen Rat: „Wer am Broken-Heart-Syndrom erkrankt, sollte sich vorsichtshalber auf eine etwaige noch unentdeckte Krebserkrankung untersuchen lassen. Der Betroffene muss nicht an Krebs erkrankt sein, aber es ist besser, dies auszuschließen.“