Der suspendierte Chef des Bruchsaler Gefängnisses fiel schon einmal auf: in einem Weihnachtsgruß auch ans Justizministerium zitierte er eine rechtslastige Rockband – angeblich arglos. Ein Gefangener machte auf die brisante Quelle aufmerksam.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der langjährige Leiter der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, der nach dem Hungertod eines Gefangenen suspendiert worden war, hat das Justizministerium schon früher beschäftigt. Wegen seines Weihnachtsgrußes im Jahr 2009 wurde Thomas M. von dem damals noch FDP-geführten Ressort ermahnt, „die Herkunft von Zitaten künftig gründlicher abzuklären“. Der Grund: er hatte dem breit gestreuten Schreiben gleichsam als Losung eine Liedzeile der als rechtsgerichtet geltenden Rockband Böhse Onkelz vorangestellt, versehen mit dem Zusatz „anonym“. Der Brief ging auch an den noch heute amtierenden Leiter der Justizvollzugsabteilung im Ministerium.

 

Die Herkunft des Zitats sei dem Verfasser wohl selbst „nicht bekannt gewesen“, sagte eine Sprecherin von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Da „einige Empfänger“ mit dem Liedgut der Böhsen Onkelz nicht vertraut seien, habe es einige Zeit gedauert, bis das Zitat zugeordnet werden konnte. Im Schreiben selbst hatte Thomas M. auf eine Formulierung vom „ganz normalen Wahnsinn“ in dem Lied „Auf gute Freunde“ Bezug genommen. Wann und auf welchem Weg man damals auf die problematische Passage aufmerksam geworden sei, lasse sich „nach mehreren Jahren nicht mehr sagen“, so die Sprecherin.

Gefangener macht Zitat-Herkunft publik

Ein damaliger Gefangener der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, der sich inzwischen in Freiburg in der Sicherungsverwahrung befindet, hatte im Januar 2010 im Internet über den Weihnachtsgruß berichtet. Unter der Überschrift „Böhse Onkelz hoffähig im Knast“ nannte er das Zitat „brisant“ und äußerte die Vermutung, „rechts eingestellte Gefangene und/oder Bedienstete“ hätten die Herkunft erkannt. Diesen und zwei weitere Vorgänge wertete der JVA-Insasse als Beleg für rechte Tendenzen im Justizvollzug. Dabei ging es einmal um antisemitische Schmierereien in der Haftanstalt, die nur widerwillig entfernt würden, sowie um Motorradclubs von JVA-Bediensteten, deren Embleme eine Affinität zur rechten Szene nahelegten.

Das Justizministerium teilte dazu mit, „das Anbringen verfassungsfeindlicher Symbole“ in den Vollzugsanstalten lasse sich „leider nicht gänzlich ausschließen“. Man sei um eine schnelle Beseitigung bemüht, teilweise bleibe aber auch nur die Renovierung in regelmäßigem Turnus. Besondere antisemitische Schmierereien aus Bruchsal seien nicht erinnerlich. Bereits 2013 habe man auf den auf einer linksgerichteten Internetplattform von einem Gefangenen geäußerten Verdacht reagiert, JVA-Bedienstete könnten in rechtsextremen Motorradclubs organisiert sein. Das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz hätten auf Anfrage verneint, dass dazu Erkenntnisse vorlägen; hieran habe sich bis heute nichts geändert.

Beobachter haben Subkulturen im Blick

Generell achte man darauf, problematische „subkulturelle Erscheinungsformen jedweder Couleur“ in den Haftanstalten zu erkennen und zu unterbinden, sagte Stickelbergers Sprecherin. Seit einigen Jahren gebe es dazu so genannte Strukturbeobachter, die auch „extremistische Phänomene“ im Blick hätten; sie tauschten sich jährlich aus.

Für eine „Relevanz rechtsextremer Gesinnung“ gebe es dabei „keine Anhaltspunkte“, sagte die Sprecherin. Wegen der Vorfälle in Bruchsal muss Minister Stickelberger am nächsten Montag dem Ständigen Ausschuss Rede und Antwort stehen.