Die Bauwirtschaft fordert von der Landesregierung ein Sonderprogramm. Der zunehmende Schwerlastverkehr macht den Bauwerken zu schaffen.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - „In unseren Brücken tickt eine Zeitbombe“, kritisiert Mathias Waggershauser. Ein großer Teil der Straßenbrücken im Südwesten sei marode, sagt der stellvertretende Präsident des Verbandes Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Sein Urteil über den Zustand vieler Bauwerke, die über Flüsse, Bäche und Niederungen in der Landschaft führen, ist niederschmetternd: „Der Beton bröckelt, der Stahl korrodiert, die Oberflächen haben Risse.“

 

Von den 9200 Brücken an Landes- und Bundesstraßen im Südwesten liegen 3160 an Landesstraßen. Sie zu erhalten oder für den zunehmend Verkehr sogar zu verbessern, ist damit allein Aufgabe der Landesregierung. Doch diese hat sich nach den Worten von Waggershauser schon seit Jahrzehnten darum gedrückt. Jetzt seien 40 Prozent in einem derart schlechten Zustand, „dass sie dringend saniert werden müssen“. Selbst die Landesregierung stuft ein Prozent der Brücken als „ungenügend“, neun Prozent als „mangelhaft“ und 30 Prozent als „ausreichend“ – was aber noch lange nicht gut heißt – ein. Im Schnitt, so der stellvertretende Präsident der Bauvereinigung, seien die Brücken etwa 45 Jahre alt – und stammen mithin aus einer Zeit, in der es noch viel weniger Verkehr gab.

Die Brummis setzen den Brücken zu

Der schlechte Zustand vieler Brücken bedeute natürlich nicht, dass demnächst mit einstürzenden Betonpfeilern und absackenden Fahrbahnen zu rechnen sei, meint die Bauwirtschaft – wohl aber gebe es immer mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen oder kilometerlange Umwege etwa für schwere Lastwagen, für die Brücken gesperrt seien. Das Problem der Bauwerke sei dabei nicht allein ihr Alter und der insgesamt zunehmende Verkehr, für den viele gar nicht gebaut seien. Vor allem die wachsende Belastung durch immer mehr schwere Lastwagen setze diesen zu. „Eine Lastwagenachse kann eine Brücke so stark belasten wie 60 000 bis 100 000 Personenwagen“, sagt Waggershauser. Und was für die Fahrer der Brummis mit ihren bis zu 600 PS positiv ist – nämlich bessere Bremsen – ist für Brücken und Straßen eine Zumutung: „Früher haben die Fahrer langsam abgebremst, heute bleiben sie so lange wie möglich auf dem Gaspedal und bremsen dann ganz abrupt: „Da wirken dann ganz immense Kräfte – und beim Anfahren ist es dann genau so.“ Die umstrittenen Gigaliner, so meint denn auch Hauptgeschäftsführer Dieter Diener, sollten deshalb auch nur für Autobahnen und ausgewählte Straßen zugelassen werden, nicht aber überall fahren dürfen.

„Früher“, so sagt Waggershauser, „haben wir in Baden-Württemberg und gerade rund um Stuttgart immer einen Verkehrsinfarkt befürchtet, jetzt haben wir ihn.“ Deshalb will er auch die alte Forderung nach dem „Nordostring“, einer Verbindung zwischen der Autobahn A 81 bei Ludwigsburg und der Bundesstraße B10 im Neckartal, nicht aufgeben. Doch was derzeit investiert werde, könne möglicherweise gerade noch ausreichen, um die Probleme nicht noch größer werden zu lassen, keineswegs aber, um diese zu beseitigen.

Die Infrastruktur wird schon lange vernachlässigt

Die Landesregierungen, gleichgültig welcher politischen Couleur, hätten in den vergangenen Jahrzehnten stets unterschiedliche Zahlen genannt, wenn es um den Erhalt der Straßen gegangen sei. Allein für den Erhalt und die Ertüchtigung der Brücken für mehr und schwerere Fahrzeuge, so Bernhard Sänger, der Präsident der Bauwirtschaftsvereinigung, sollten vor drei Jahren noch 60 Millionen Euro im Jahr bereit gestellt werden: „Inzwischen ist nur noch von 30 Millionen Euro die Rede.“ Die Bauwirtschaft fordert deshalb vom Land, an dem eigenen Anspruch von 60 Millionen Euro im Jahr fest zuhalten. „Dies darf aber nicht aus dem ohnehin für den Straßenbau vorgesehenen Mitteln abgezweigt werden“, verlangt Waggershauser.

Mit Geld allein aber sei es nicht getan. Während die Bauwirtschaft meint, trotz ebenfalls zunehmender Arbeit etwa im Wohnungsbau oder im Wirtschaftsbau die Aufgaben bei der Sanierung und dem Ausbau von Straßen und Brücken bewältigen zu können, fürchtet sie anderswo einen Engpass: Beim Personal der staatlichen Planungs- und Genehmigungsbehörden. Vor allem, weil es nie die von seinem Verband geforderte Verstetigung der öffentlichen Bauaufgaben gegeben habe, seien nun auch die nötigen Ingenieure nicht in ausreichender Zahl vorhanden, die man für die wachsenden Aufgaben brauche, meint Diener.