Derzeit wird erneut über finanzielle Anerkennungsleistungen für Opfer sexualisierter Gewalt diskutiert. Damit rückt auch Korntal in den Fokus.

Wie können jene, die zu Opfern sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche wurden, entschädigt werden? Auch die Evangelische Brüdergemeinde Korntal hat nach einer Aufklärung der Taten vor allem in den 1950er bis 1970er Jahren ihren Opfern Geld in Anerkennung des erlittenen Leids bezahlt – aber nicht genug. Das jedenfalls meint Detlev Zander. Zander wuchs in einem Kinderheim der Brüdergemeinde auf, erlitt dort sexuelle, physische und psychische Gewalt. 2014 ging er mit dem Erlebten an die Öffentlichkeit. Heute ist er 62 und Sprecher der Betroffen sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

 

Er will darauf hinwirken, dass EKD-weit Opfern sexueller Gewalt in kirchlichem Kontext einheitlich deutlich mehr bezahlt wird. Zum Vergleich: Die Brüdergemeinde zahlte zwischen 5000 und 20 000 Euro. Sie orientierte sich an Zahlungen der württembergischen Landeskirche – während das Landgericht Köln 2023 einem Betroffenen der katholischen Kirche 300 000 Euro zusprach.

Nach der Publikation einer Studie, die den Missbrauch innerhalb der EKD untersuchte, wird derzeit wird an der Bildung „Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen“ – kurz Urak – gearbeitet. „Die Verbünde arbeiten auf Grundlage der Gemeinsamen Erklärung von EKD, Diakonie Deutschland und der bei der Bundesregierung angesiedelten ‚Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs’ (UBSKM)“, teilt die Landeskirche Württemberg dazu mit. In der Erklärung heißt es, die Unterzeichner stimmten „in dem Ziel überein, sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der Kirche und Diakonie unabhängig aufzuarbeiten“.

Damit könnten auch die Fälle von Korntal abermals auf den Prüfstand kommen. „Das ist ein Meilenstein für Korntal“, sagt daher Detlev Zander. Zwei Betroffene aus Korntal sollen in der Urak der Württembergischen Landeskirche vertreten sein. Für Zander ist das Geschehen noch nicht abschließend aufgearbeitet, weil es nicht unabhängig von der Institution untersucht worden sei. Diese hatte die Aufklärer maßgeblich ausgewählt.

Mit der Landeskirche vertraglich verbunden

Die Brüdergemeinde zahlte, wies aber zugleich darauf hin, der Landeskirche nicht anzugehören. Tatsächlich ist sie ihr lediglich vertraglich verbunden. Zander und andere Betroffene verstanden dies stets als Hinweis der Gemeinde, zu den Zahlungen nicht verpflichtet zu sein. Das ist jetzt anders, sagt Zander: Über die Diakonie der Brüdergemeinde – die Mitglied der Diakonie Württemberg und damit der Diakonie Deutschland ist – ist auch für die Korntaler die gemeinsame Erklärung bindend. „Jetzt haben wir die Chance, die Fälle unabhängig von der Brüdergemeinde nochmals anzuschauen.“ Jeder, der das wolle, könne dies veranlassen.

Die Gespräche über die Anerkennungsleistungen laufen, beteuern alle Beteiligten. Über die Höhe werde diskutiert. Beschließen soll die EKD-Synode im November.

Kino Der Dokumentarfilm „Die Kinder aus Korntal“ kommt im September in die Kinos.
Am Dienstag, 24. September, ist der Film in Anwesenheit von Regisseurin Julia Charakter und einigen Betroffenen im Atelier am Bollwerk in Stuttgart zu sehen. Beginn: 18.15 Uhr.