Des einen Freud ist des anderen Leid. So ähnlich ist es bei den neuen EU-Vorgaben über die CO2-Grenzwerte für Autos. Für Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sind die Brüsseler Beschlüsse Rückenwind. Für Wirtchaftsminister Peter Altmaier rücken die „Grenzen des Möglichen“ in den Blick.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Mit gemischten Gefühlen hat die Bundesregierung auf die jüngste Entscheidung über neue und strengere europaweit geltende CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge reagiert. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) kann sich mindestens inoffiziell als Gewinnerin fühlen. Sie hat von Beginn an strengere Grenzwerte favorisiert, als sie die Bundesregierung und die EU-Kommission vorsahen und als jetzt im EU-Trialogverfahren – also von Vertretern der EU-Staaten, des Europaparlaments und der EU-Kommission – festgesetzt wurden. Zwar musste Schulze auf Druck der Kanzlerin und von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in Brüssel die Regierungslinie vertreten. Aber die jetzt vereinbarte Reduktion des Kohlendioxidausstoßes um 37,5 Prozent bis 2030 geht in die Richtung von Schulzes ursprünglicher Forderung nach einer Halbierung der klimaschädlichen Autoabgase.

 

„Die Autoindustrie muss sich anstrengen“

Aus Sicht der Umweltministerin ist die Verstärkung der deutschen Anstrengungen im Klimaschutz nach dem Klimagipfel von Kattowitz nötiger denn je – nicht nur, aber auch im Verkehrssektor. Tatsächlich wird Schulze Anfang 2019 ein Klimaschutzgesetz vorlegen, in dessen Rahmen alle Ministerien substanzielle Beiträge zur Minderung der klimaschädlichen Gase fest zusagen müssen. Schon der bisherige Klimaschutzplan sieht vor, dass der Verkehrssektor, dessen Emissionen seit den neunziger Jahren nicht gesunken sind, den CO2-Ausstoß um 40 bis 42 Prozent senken muss. „Europa hat sich einmal mehr handlungsfähig gezeigt. Alle haben sich aufeinander zu bewegt. Das ist ein gutes Ergebnis, das uns bei Klimaschutz und Zukunftsjobs voranbringen wird“, lobte Schulze am Dienstag in Berlin. Der EU-Beschluss wird ihr im nächsten Jahr bei der Durchsetzung ihres Gesetzentwurfes helfen. „Die Autoindustrie wird sich zwar anstrengen müssen, aber das wird den Auto-Standort Europa nicht schwächen, sondern stärken. Mit den neuen Grenzwerten bekommen wir starke Anreize für effizientere Fahrzeuge und den Umstieg auf eine neue, saubere Mobilität“, betonte Schulze. Sie glaubt, dass das bei den deutschen Autobauern einen Innovationsschub auslösen wird. So optimistisch ist Schulzes für die Wirtschaft zuständige Kabinettskollege Peter Altmaier (CDU) nicht. „Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir den schrittweisen Wandel hin zu einer emissionsfreien Mobilität“, sagte der Wirtschaftsminister im Gespräch mit unserer Zeitung. „Der Kompromiss zu den CO2-Grenzwerten geht dabei an die Grenze dessen, was technisch und wirtschaftlich möglich ist.“

Wirtschaftsminister Altmaier sieht die Grenzen des Möglichen erreicht

Da klingt die Sorge durch, dass das hohe Reduktionsziel, die deutschen Unternehmen an den Rand der Überforderung bringen könnte. „Die CO2-Ziele dürfen den Standort Deutschland und Europa aber nicht über Gebühr belasten, sie müssen realistisch und industriepolitisch tragfähig sein“. Altmaier lobte ausdrücklich, das die EU Plug-in-Hybride als wichtige Brückentechnologie zur rein batterie-elektrischen Mobilität über eine Bonusregelung stärken und die Zielvorgaben für 2030 im Jahr 2023 noch einmal überprüfen will. Weil Altmaier die Zukunft der Mobilität im autonomen Fahren und in alternativen Antrieben sieht, treibt er eine EU-weite Plattform für Künstliche Intelligenz und eine Batteriezellenproduktion in Deutschland voran.

Für das Verkehrsministerium signalisierte Staatssekretär Enak Ferlemann, dass Minister Andreas Scheuer (CSU) sich „etwas anderes“ gewünscht hätte. Aber da die Vorgabe der EU nun so ausgefallen sei, werde die Regierung den Beschluss nun auswerten und „sehen, wie wir das umsetzen können“.