Die 28 Kommissare stellen eine europäische Strategie zur Regulierung von Verbrauch und Schadstoffen vor. Wir stellen die wichtigsten Elemente dieser Strategie vor.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die Regulierung von Neuwagen bei Verbrauch und Schadstoffausstoß leidet unter einem Dilemma: Obwohl die Auflagen der EU über die Jahre immer strenger wurden, ist die Belastung für die Umwelt insgesamt nicht zurückgegangen. Der Bestand an Fahrzeugen wächst permanent. So ehrgeizig die Ziele auch formuliert werden, sie erfassen nur Neufahrzeuge, der Schadstoffausstoß im Bestand sinkt wenn überhaupt nur sehr langsam.

 

So wurden 2015 in der EU 13,7 Millionen Pkw neu zugelassen. Der Pkw-Bestand insgesamt liegt bei mehr als 250 Millionen Stück. Die EU-Kommission erarbeitet nun eine Strategie, die sich dem Ziel „Verkehr mit geringen Emissionen“ verschrieben hat. Die wichtigsten Elemente der Strategie, die am Mittwoch von den 28 Kommissaren beschlossen werden soll:

Regulierung von Pkws und leichten Nutzfahrzeugen

Bislang gibt es nur Regeln für die Neufahrzeuge, die bis Ende 2020 auf den Markt kommen sollen. Die EU-Kommission legt sich nicht fest, wie die Regulierung zum CO2-Ausstoß und zu den Schadstoffen in der Zeit danach aussehen soll. Sie kündigt aber eine Verschärfung an. Vermutlich wird die Kommission der Industrie nicht nur Ziele für 2030 vorgeben, sondern auch eine Zwischen-Etappen für 2025. Brüssel will das System zur Kennzeichnung des Energieverbrauchs reformieren, um den Absatz von „Null-Emissions“-Modellen in Gang zu bringen. Sie sollen bis 2030 einen „signifikanten Marktanteil“ erobert haben.

Technologie-Neutralität

Die Kommission bekennt sich zum Prinzip der Technologie-Neutralität. An keiner Stelle des 14-seitigen Entwurfs gibt es einen Bezug zur Diesel-Technologie. Damit ist klar, dass die EU auch in Zukunft der Industrie keine Vorschriften machen will, auf welchem Wege sie die Klima- und Schadstoffvorgaben erreicht. Gerade die deutschen Hersteller dürften darüber erleichtert sein. Sie haben einen großen Marktanteil bei Diesel-Autos. Forderungen aus dem Umfeld von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie Umweltministerin Barbara Hendricks, dass ab 2030 in Deutschland keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden dürften, haben die Konzernzentralen von VW, Daimler und BMW hochgradig alarmiert.

Testzyklus

Angesichts der Abgasskandale will Brüssel verloren gegangenes Vertrauen beim Verbraucher zurückgewinnen. Testzyklen sollen realitätsnäher und Typen-Zulassung reformiert werden. Die Kommission appelliert an das Parlament und die Mitgliedsländer, den Änderungen zügig zuzustimmen und sie umzusetzen. Womöglich seien über die Einführung eines weltweit einheitlichen Testverfahrens (WLTP) für den Ausstoß von CO2 und Schadstoffen hinaus weitere Maßnahmen nötig.

Abschied vom Ö

Der Verkehr in der EU hängt nach wie vor zu 94 Prozent von Öl-Produkten als Energielieferant ab. Damit sei die Abhängigkeit deutlich höher als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen. Brüssel will die Forschung bei alternativen Kraftstoffen verstärken und erwägt, der Kraftstoffindustrie neue Ziele für den Einsatz von alternativen Energien zu setzen. Dies könnte sich auf Biokraftstoffe der zweiten Generation, Strom aus regenerierbaren Quellen sowie auf synthetische Kraftstoffe beziehen. Biokraftstoffe auf der Basis von Lebensmitteln seien ein Auslaufmodell und sollten nach 2020 nicht mehr subventioniert werden.

Elektromobilität

Ziel ist, ein flächendeckendes Netz an Ladestationen aufzubauen. Es wird angepeilt, mit dem E-Mobil ohne Treibstoffprobleme einmal die EU durchqueren zu können. Das Laden eines Elektromobils müsse so einfach werden wie das Tanken eines Autos mit Verbrennungsmotor. Bis November sind die Mitgliedsstaaten aufgefordert, bei der EU-Kommission ihre nationalen Aktionspläne zum Aufbau eines Tankstellennetzes für Strom, Gas und Wasserstoff einzureichen. Die Standards für E-Mobile sollen EU-weit harmonisiert werden. So gebe es derzeit noch Mängel bei länderübergreifenden Bezahlsystemen sowie Informationssystemen zu Ladestationen.

Steuern

Die Kommission mahnt eine Harmonisierung der Steuern und Abgaben im Zusammenhang mit Autos an. Bislang gebe es eine Vielzahl von steuerlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene, die nicht gerade ein Anreiz zum Kauf von Autos mit geringen Emissionen seien. Stattdessen müssten die Staaten steuerlich Anreize zum Kauf von „Niedrig-Emissions-Autos“ setzen.

Lastwagen

Erstmals überhaupt kündigt die EU-Kommission eine Regulierung für LKW-Motoren an. Diese Regulierung soll nach 2020 greifen. Bislang gibt es CO2-Obergrenzen in der EU lediglich für Pkw und Nutzfahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen. In den USA, China, Japan oder Kanada gibt es bereits einschlägige Gesetze. Die EU-Kommission erklärt: Die Industrie unterliege in den USA und anderswo bereits der Regulierung, „Europa darf nicht außen vor bleiben“. Handlungsbedarf sei gegeben: Lastwagen würden in der EU im Schnitt elf Jahre gefahren, Lkw, die 2020 neu zugelassen würden, seien also auch 2030 noch in der EU unterwegs.

Reaktionen

Der Wirtschaftsexperte im EU-Parlament, Andreas Schwab (CDU), lobt den Ansatz der Kommission: „Es ist richtig, dass wir eine europäische Strategie entwickeln, in die alle Emissionen und damit auch Fahrzeuge einbezogen sind.“ Er mahnt allerdings, der Ansatz müsse praxisnah ausgestaltet werden. Schwab setzt große Hoffnung in den technologischen Fortschritt: „Die Vernetzung sowie die Automatisierung werden die Effizienz, Sicherheit und Umweltverträglichkeit des Verkehrs wesentlich erhöhen.“ Auch für VDA-Präsident Matthias Wissmann gegen die Vorschläge der Kommission in die richtige Richtung: „Entscheidend ist, dass die Kommission einen regulatorischen Rahmen setzt, der technologieneutral ist.“