Die Brunnen-Realschule ist eine von fünf Schulen, die am Projekt „Bildungs-Chancen für Stuttgart“ teilnimmt. Der Verein Chancenwerk soll Schülern helfen, deren Familien sie nicht beim Lernen unterstützen können.

Bad Cannstatt - Im Jahr 2004 gründeten Serife und Murat Vural den Verein Chancenwerk. Die Geschwister wuchsen im Ruhrgebiet auf und erfuhren während ihrer Schulzeit immer wieder, potenzielle Bildungsverlierer zu sein. Die Kinder türkischer Gastarbeiter kämpften sich jedoch von der Hauptschule bis an die Hochschule. Den Verein gründeten sie, um Schülern mit ähnlich schwierigen Startbedingungen zu helfen. „Wir wollen das, was wir bekommen haben, weitergeben“, sagt Murat Vural, der geschäftsführende Vorsitzende. Seitdem setzt sich die gemeinnützige Organisation bundesweit für faire Bildungschancen an Kooperationsschulen ein. Der Verein unterstützt mit seiner Lernförderung Kinder und Jugendliche in ihrer schulischen und individuellen Entwicklung. Mittlerweile kooperiert der Verein mit 86 Schulen in 33 Städten in zehn Bundesländern und erreicht wöchentlich mehr als 4500 Schüler. „Und wir wachsen immer noch. Die Nachfrage ist also da.“

 

Auch in der Brunnen-Realschule. „Der Verein Chancenwerk genießt eine gute Reputation“, sagt Schulleiter Sascha Weigand-Käß, „ich habe nur Gutes gehört.“ Zum Halbjahr des vergangenen Schuljahres startete das Projekt an seiner Schule. „Es läuft und ich bin guter Dinge.“ 35 jüngere Schülerinnen und Schüler werden zwei Mal pro Woche von acht älteren Schülern unterstützt, diese bekommen dafür einmal pro Woche von Studierenden in einem Fach ihrer Wahl Hilfe.

Kern des Konzeptes ist die Lernkaskade

„Kern unseres Konzeptes ist die Lernkaskade, die auf dem Prinzip ‚Geben-Nehmen’ beruht“, so Murat Vural. „Wir trauen es Jugendlichen zu, eine Gruppe von Kindern bei ihren schulischen Aufgaben zu unterstützen. Dafür erhalten die Jugendlichen selbst kostenfreie Lernhilfe durch Studierende.“ Jugendliche wie Studierende werden professionell vorbereitet und fortlaufend begleitet. „Das System ist so aufgebaut, dass es für alle Schüler zugänglich ist, deren Familien sie aus finanziellen, zeitlichen oder sprachlichen Gründen nicht unterstützen können.“

In der Landeshauptstadt läuft es als Projekt „Bildungs-Chancen für Stuttgart“ an mittlerweile fünf Schulen. Neben der Brunnen-Realschule sind die Linden-Realschule, die Realschule Ostheim, die Rilke-Realschule und die Steinenbergschule (mit den Vorbereitungsklassen) beteiligt. Für ein kostenfreies Angebot für 200 Schülerinnen und Schüler in Stuttgart sorgen die Heidehof Stiftung, die Louis Leitz Stiftung, die Gips-Schüle-Stiftung, die Robert-Breuning-Stiftung, The Schauffler Foundation und die Vector Stiftung. Für sechs Jahre wurde eine halbe Million Euro zusammengebracht. „Das Projekt muss weitergehen“, sagt Edith Wolf von der Vector Stiftung, auch Vorstandsvorsitzende des Stiftungsnetzwerkes Region Stuttgart, in der 150 Stiftungen vertreten sind. „Wir müssen das Geld dorthin tragen, wo es Früchte bringt“, ergänzt Wolfgang Chur von der Rudolf-Breuning-Stiftung.

Unterstützt von Stiftungen

In der Brunnen-Realschule machten sich Vertreter der Stiftungen vor Ort ein Bild. „Es bringt auch mir viel“, beschreibt Katharina, die Englisch, Politik und Wirtschaft auf Lehramt studiert und als Schulkoordinatorin fungiert, also die Studierenden an der Schule betreut. Zehntklässler Dew, der sich in Mathematik helfen lässt, unterstützt an diesem Nachmittag Zahraa aus Klasse 5 in Englisch. „Ich bin schon besser geworden“, strahlt sie. Und Dew kann den Stoff der Klassen 5 und 6 wiederholen. „Das gibt mir ein gutes Gefühl.“ Sein Ziel: Wirtschaftsinformatik studieren. Von der Lernförderung profitiert auch der Schulalltag. „Das hat Effekt,“ so Rektor Weigand-Käß. „Die Begegnungen in der Pause sind anders. Die Streitigkeiten sind weniger geworden.“ Fünftklässler Kenan traut sich jetzt, ältere Schüler anzusprechen.