Nach dem Skandal mit Silikon-Brustimplantaten der Firma PIP fordern CDU und Fachverbände strengere Gesetze für die Produktion von Medizinprodukten.  

Stuttgart - Der Betrugsfall um die Brustimplantate der französischen Herstellerfirma PIP könnte auch in Deutschland zu einer gesetzlichen Neuregelung führen. In einer Diskussionsrunde des Fernsehsenders Phoenix hat die FDP-Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Ulrike Flach, zwar vor "Schnellschüssen" gewarnt. Sie hat allerdings auch eingeräumt, dass man über die Verbesserung von klinischen Studien vor der Einführung eines Medizinproduktes, über ein Register für schadhafte Produkte sowie über die Nachprüfungen eingeführter Artikel "diskutieren" müsse.

 

Nicht nur Brustimplantate, auch die massenhaft implantierten Hüft- und Knieprothesen sowie Herzklappen und Stents in der Herzchirurgie sind in der Debatte über die Zulassung und Kontrolle von Medizinprodukten besonders wichtig.

Kritiker bemängeln, dass die Regelungen für diese Produkte wesentlich lockerer seien als die für Arzneimittel. So sagte Jürgen Windeler, der Leiter des Arzneimittelprüfinstituts IQWIG, dass für die Genehmigung eines neu entwickelten Stents vor wenigen Jahren zwar eine klinische Prüfung vorgesehen war. Allerdings sei die nur bei einer Fallserie von 50 erfolgt, was für eine Begutachtung "keine Grundlage" sei. "Einen Arzneimittelhersteller würde man damit nach Hause schicken."

PIP täuschte den Tüv bewusst

Die Zulassung von technischen Mitteln im Gesundheitswesen ist in der EU im europäischen Medizinproduktgesetz geregelt, der deutsche Gesetzgeber hat also keinen direkten Einfluss darauf. Dieses Gesetz soll aber im Sommer novelliert werden, und in Berlin wird derzeit erörtert, welche Position man in Brüssel einbringen will.

Der Tüv-Verband in Berlin - dessen Mitglieder die Technischen Überwachungsvereine sowie Industrieunternehmen sind - hat jetzt in einem Positionspapier dargelegt, dass "die bestehenden Regelungen und Kontrollmechanismen" nicht geeignet seien, "unseriöse und kriminelle Praktiken rechtzeitig erkennbar zu machen". Besonders der Tüv Rheinland war von der Firma PIP bewusst getäuscht worden. Für sogenannte Hochrisikoprodukte - dazu gehören Brustimplantate und Herzklappen - schlägt der Verband nun drei Neuerungen vor, die eine strengere Zulassung und Kontrolle bewirken sollen.

Zum einen hält der Fachverband es nicht mehr für zeitgemäß, dass ein Hersteller die Möglichkeit hat, eine sogenannte EG-Auslegungsprüfung seines neuen Produkts vorzunehmen. Dabei handelt es sich um eine reine Dokumentenprüfung. Der vom Staat beauftragte Tüv oder eine andere Prüfinstanz - im Fachjargon "Benannte Stelle" genannt - kontrolliert und prüft in diesem Verfahren lediglich die Papiere des Herstellers, ohne das Produkt selbst zu begutachten.

Unangemeldete Fertigungskontrollen sollen legitimiert werden

Die Tüv-Experten schlagen nun die "verbindliche Einführung der EG-Baumusterprüfung" vor, bei der nicht nur die Dokumente geprüft, sondern auch am Produkt selbst Labortests und Prüfungen vorgenommen werden. Dies müsse obligatorisch werden, bevor ein neues Medizinprodukt als mit den EU-Richtlinien konform erklärt werde.

Überdies schlägt der Fachverband vor, dass die Prüfer in den Herstellerfabriken unangemeldete Fertigungskontrollen machen dürfen und dass sie Stichproben der Ware "vom Band" erheben dürfen. Dem Tüv Rheinland hatte die Implantatefirma PIP bei einer vorher angemeldeten Überprüfung nur die einwandfreien Produkte vorgeführt - ein Viertel der Produktion. Schließlich sieht der Tüv-Verband auch die Aufsichtsbehörden in der Pflicht. Sie sollten, so meint er, die beauftragten Prüffirmen sofort informieren, wenn sie von beanstandeten Medizinprodukten erfahren.

Der CDU-Fachpolitiker Dietrich Monstadt hat sich diese Vorschläge bereits zu eigen gemacht und sie in ein Positionspapier für die Union-Arbeitsgruppe Gesundheit übernommen. Monstadt fordert auch, dass man ein Bußgeld einführt bei den offenbar nicht seltenen Verstößen gegen die Meldepflicht bei schadhaften Medizinprodukten. "Auch wäre es sinnvoll, im europäischen Recht stichprobenartige Kontrollen direkt vor der Anwendung eines Medizinproduktes vorzuschreiben", sagt Monstadt. Bei Arzneimitteln gebe es dies schon seit 1968.