Seit Mitte letzter Woche scheint die Keplerstadt wieder eine Storchenstadt zu werden. Jedenfalls richtet ein erstes Storchenpaar sich just auf jenem Turm einen Horst ein, der seit alters nach Freund Adebar benannt ist.

Nein, kein Aprilscherz: „Das ist eine kleine Sensation“, freut sich Sabine Holmgeirsson vom Nabu Weil der Stadt. Sie hörte vergangenen Mittwoch zum ersten Mal von einem Storchen-Vogelpaar auf dem Storchenturm.

 

Das Nistgestell stammt von den Städtepartnern aus Riquewihr

„Als wir vom Nabu 2019 vom geplanten Nest auf dem Turm hörten, waren wir skeptisch, dass dort jemals Störche brüten würden“, erinnert sie sich. Zum 20-Jahr-Jubiläum der Bürgergarde, die im Storchenturm residiert, schenkten Vertreter der Partnerstadt Riquewihr das Storchennest. Der Storch ist das Symbol des Elsasses. Entlang der Weinstraße leben zahlreiche Paare. Auch in der Ortenau, am Bodensee oder in Oberschwaben fühlen sich Störche heimisch. „In Weil der Stadt gab es rund 50 Jahre keine Störche mehr“, ist die Naturschützerin überzeugt. „Eine betagte Frau aus Merklingen erinnert sich aber an ein Paar, das in ihrer Kindheit auf dem Dach der Kirchenburg gebrütet hat.“ In den letzten Jahren zogen immer wieder Störche an Weil der Stadt vorbei oder machten Rast im Merklinger Ried. 2020 haben sich auch zwei Nilgänse auf dem Nest ausgeruht. Niedergelassen und gebrütet hat bisher aber seit Jahrhunderten noch kein Storchenpaar auf dem Storchenturm.

Vieles spricht dafür, dass sich das Paar hier einrichtet

„Die Anzeichen, dass die beiden nicht nur auf der Durchreise sind, sondern bleiben, sind da“, sagt Sabine Holmgeirsson, die am Wochenende beobachtet hat, wie die Vögel das Nest mit Zweigen weiter ausgebaut haben. Mit ihrer Kamera hat sie sogar einen Moment der Paarung eingefangen. „Auf den Fotos erkennt man, dass der männliche Storch über dem rechten Knie beringt ist“, erzählt sie. Ein Ring am rechten Bein bedeutet, dass das Tier in einem Jahr mit gerader Jahreszahl geboren worden ist. Jetzt ist sie dabei, die Ringnummer kenntlich zu machen, um bei einer der Vogelschutzwarten in Deutschland mehr Informationen über den Storch zu bekommen, der vermutlich vier Jahre alt ist. Das weibliche Tier scheint keinen Ring zu haben. So kann man die Neuzugänge gut auseinanderhalten.

30 Tage dauert es von der Eiablage bis zum Schlüpfen

Zur ganz großen Freude ist es allerdings noch zu früh, warnt das Nabu-Mitglied. Es sei noch ein Hoffen und Bangen. Zwei, drei Tage nach der Paarung sollte es zur ersten Eiablage kommen. Drei bis fünf Eier können so in den nächsten zwei Wochen zusammenkommen. Dann dauert es noch einmal 30 Tage bis zum Schlüpfen des ersten Storchs.

60 Tage dauert die Aufzucht

Bei zu viel Regen ist es schwierig, die Kleinen warm zu halten. Fraglich ist auch, ob die Störche mangels Feuchtgebieten genug Nahrung wie Regenwürmer, Insekten, Mäuse und Frösche finden werden. 60 Tage lang ist dann die Phase der Aufzucht, bevor die Jungstörche Ende Juli, Anfang August in den Süden fliegen – und zwar zwei Wochen vor dem Vogelflug der Eltern.

Klappt die Aufzucht, kommen die Störche wahrscheinlich wieder

„Wenn die Aufzucht in Weil der Stadt glückt, kommen die beiden im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich wieder“, hofft Holmgeirsson. Zur Stunde kann man die Störche beim Einnisten beobachten. Besonders beeindruckend ist es, wenn sie sich in die Lüfte erheben und zur Nahrungssuche aufbrechen. Wenn dann mehrere Eier im Nest liegen, wird immer eines der Tiere zum Brüten zurückbleiben.

Eine Beobachterin freut sich über die Zugezogenen und sagt zu ihrer Begleiterin: „Es hat 80 Jahre gedauert, bis ich hier ein Storchenpaar zu sehen bekomme.“ Den meisten der Vorübergehenden entgeht der Anblick. Vielleicht ist das auch besser so, denn je mehr Abstand die Menschen einhalten und je ungestörter die Vögel sind, desto größer ist die Chance, dass sie bleiben und die Geschichte zum Fortsetzungsroman werden kann.

Der alte Storchenturm von Weil der Stadt

Alter Wachturm
 Der Storchenturm ist Teil der Befestigung der „Renninger Vorstadt“ und datiert aus dem 15. Jahrhundert. Er bekam seinen Namen von den seit 1798 hier nistenden Störchen. Einst als Wachturm, diente er später als Armenwohnung. Von 1947 bis 1971 hatten die Weil der Städter hier ihr Heimatmuseum untergebracht.

Abwehrzauber
Über dem Treppenabgang ragt ein sogenannter Neidkopf aus der Mauer. Neidköpfe galten im Mittelalter als Abwehrzauber gegen Unheil.

Wehrgang
Zwischen dem Storchenturm und dem Roten Turm findet sich noch ein gut erhaltenes Reststück des alten, umlaufenden Wehrgangs.