Der Sänger Bryan Ferry hat im Stuttgarter Beethovensaal gezeigt, dass er kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag noch lange nicht zum alten Eisen zählt. Er lieferte eine rundherum distinguierte, wunderbare Performance.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Glauben mag man’s nicht, dass Bryan Ferry am kommenden Samstag siebzig Jahre alt wird. Blendend aussehend präsentiert er sich am Donnerstagabend im nahezu ausverkauften Stuttgarter Beethovensaal, in einen feinen dunklen Anzug gewandet, der – neben Morrissey – größte Dandy der Popwelt erweckt allein wegen seiner juvenilen Präsenz Begeisterung.

 

Andererseits handelt es sich um ein typisches Erwachsenenkonzert. Das Durchschnittsalter der Besucher liegt eine halbe bis maximal eine Generation unter dem des Künstler, kaum jemand nervt mit Mobiltelefonknipserei, keiner schwafelt rein, alle bleiben so artig wie ehrbezeugend auf ihren Sitzen kleben, ehe vergleichsweise spät im Konzertverlauf das possierliche Ritual des Nach-vorne-an-die-Bühne-Marschierens beginnt und aus diesem gediegen bestuhlten Gastspiel ein Stehkonzert wird.

Das macht ja aber nichts, denn stehende Ovationen gönnt man Bryan Ferry von Herzen. Nicht wegen der schäbigen, etwas dröhnenden Akustik im ansonsten doch wohltönendsten Saal der Stadt, gewiss auch nicht wegen seines keinesfalls überbordenden Redeflusses, aber doch wegen der rundherum distinguierten, wunderbaren Performance, die er abgeliefert hat.

Klassiker gleich zum Auftakt

Unprätentiösen Schrittes schlendert er gegen neun auf die Bühne. Seine Band (zu ihr später mehr) intoniert zum Auftakt „Avonmore“ und „Driving me wild“ von seinem aktuellen Album, das er auch in Stuttgart eigentlich im vergangenen Jahr kurz nach dem Erscheinen vorstellen wollte, ehe er die Tour kehlkopfentzündet verlegen musste. Die Stimme ist ganz offenkundig wieder da, das charismatische Organ schallt in gehöriger Lautstärke durch den Saal, sogleich herrscht eine schön eingegroovte Stimmung.

Nach der Pflichtschuld, dieses Album vorstellen zu müssen, folgt der erste Teil der Kür: „Slave to Love“ , einer seiner größten Soloerfolge, und „Ladytron“ vom Debütalbum seiner einstigen Band Roxy Music. 1972 ist das Werk erschienen, und dass man sich das Stück satt über vier Jahrzehnte später immer noch bestens anhören kann, spricht zum einen für jene die Zeitläufte überdauernde Güte der Songs dieser stilprägenden Formation, zum anderen für den glänzenden Interpreten Ferry, der „Ladytron“ im nahezu gleichen Duktus wie auf dem Album auf der Bühne intoniert.

Danach kommt eine kleine Hommage an einen anderen großen Songwriter und die Schönheit der Welt im allgemeinen. Bryan Ferry singt „Bob Dylan’s Dream“, seine Coverversion des 53 (!) Jahre alten Dylan-Songs, die er vor drei Jahren für den Amnesty-International-Sampler „Chimes of Freedom“ eingespielt hat, und anschließend Dylans Klassiker „Don’t think twice, its all right“. Gleich danach folgt noch der Jazzstandard „Smoke gets in your Eyes“, in der schlanken Zugabe schließlich Ferrys begnadete Version von John Lennons „Jealous Guy“ – der Rest ist selbst gemacht. Jeweils zur Hälfte serviert der charmante Crooner Songs aus seinem eigenen Repertoire und von Roxy Music. Spätestens beim Dreiklang kurz vor dem Finale, „More than this“, „Avalon“ und dem fiebrigen „Love is the Drug“, hat er damit das Publikum hinter sich, auch wenn man ihm bei diesen Selbstläufern natürlich vorwerfen könnte, auf eine sichere Bank setzen zu wollen.

Aber Bryan Ferry strahlt für diesen Vorwurf zu viel Souveränität aus. Elegant bringt er das allerdings ziemlich knapp gehaltene, gerade anderthalbstündige Programm über die Bühne, inklusive einer kleinen Erholungspause, die seine ohnehin soloeinlagenfreudigen Begleiter mit einem Instrumental überbrücken.

Die Begleitband begeistert

In Szene gesetzt wird er durch eine vortreffliche Lichtregie. Und begleitet von einer wahrlich fulminanten Band. Die elegante dreiköpfige Backgroundsängerfraktion sieht aus wie soeben bei James Brown entlaufen, die siebenköpfige Band zieht souverän alle Register. Brüderlich wechseln sich die zwei Gitarristen bei der Führungsarbeit ab, wahrlich coole Akzente setzen Lucy Wilkins an der Violine und die exzellente australische Multiinstrumentalistin Jorja Chalmers, die besonders am Sopransaxofon glänzt.

Zum Abschied erklingt nicht etwa – das hat leider gefehlt – „Do the Strand“, sondern „Editions of you“, allerdings vom gleichen Roxy-Music-Album. „For your Pleasure“ heißt es, steinalt ist es ebenfalls. Bryan Ferry hat 1973 alle Songs dafür geschrieben, auch so gesehen ist es recht und billig, dass er sich – neben den weiteren zwei Songs, die er noch von seinem aktuellen Album bringt – ausführlich am Repertoire der Band bedient. „For our Pleasure“, für unser Vergnügen also, hat er allemal bestens gesorgt.