Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger steht in der Kritik – wegen seines Buchs und eines Lobs für Sepp Blatter.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Philipp Lahm hat mal ein Buch schreiben lassen. 2011 war das. Es stand nicht viel drin, was für Wallungen hätte sorgen können, mit Ausnahme von ein paar Zeilen, die in die „Bild“ passten. Dort standen sie auch, vorab, versteht sich, weil große Buchstaben verkaufsfördernd sind. Dort las man dann Kritik am Ex-Bayern-Trainer Klinsmann. Es hagelte Vorwürfe an Lahm, etwa: „Unsere Nationalspieler müssen sich ihrer besonderen Verantwortung in der Öffentlichkeit bewusst sein. Dazu gehört auch der Respekt vor Persönlichkeiten des Fußballs.“ Das meinte Theo Zwanziger, damals DFB-Präsident. Quod licet Theo, non licet Philipp, könnte man sagen: Was dem Theo erlaubt ist, ist dem Philipp noch lange nicht erlaubt.

 

Theo Zwanziger hat bekanntermaßen auch ein Buch veröffentlicht. Am Montag ist es auf den Markt gekommen, gestern ist es offiziell vorgestellt worden. Die „Zwanziger Jahre“ heißt seine Autobiografie, ein pfiffiger Titel. Und die via seines schon zur Amtszeit lieb gewonnenen Mediums „Bild“ vorab lancierten brisanten Passagen haben wie geplant Aufregung verursacht. Das Zitate-Pingpong nach dem Motto „Doof – selber doof“ läuft ziemlich gut, der verbale Niveau-Limbo ist im Gange. Pikante Details und Sticheleien gegen Uli Hoeneß (bei übrigens auch viel Lob im Buch), Oliver Bierhoff sowie in begleitenden Interviews kaum verhüllte Seitenhiebe gegen seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach haben die gewünschte Wirkung erzielt: Publicity (immerhin für den guten Zweck: der Gewinn geht an soziale Einrichtungen).

Blicke hinter die Kulissen

Das Theater ist beste Unterhaltung. Und manches ist ja durchaus interessant, wenn man Blicke hinter die Kulissen aus der Sicht des Theo Zwanziger werfen darf. Das alles ist kein Skandal, manches davon auch nicht neu, aber es reicht, um viele zu verärgern. Er hat die Funktionärs-Omertà gebrochen, so kann man Frankfurts Trainer Armin Veh verstehen, der zu dem Werk sagte: „Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wieso der ein Buch schreibt. Er ist Präsident des DFB gewesen. Jetzt bringt er Dinge daher, die geheim bleiben müssen. Wo kommen wir da hin?“ Zwanziger sagte gestern bei der Buchpräsentation: „Das ist eine Liebeserklärung an den Fußball und kein Abrechnungsbuch.“

Warum schreibt Theo Zwanziger ein Buch? Fehlt ihm die Aufmerksamkeit mitsamt all der Vorzüge wie dem direkten Zugang zu höchsten Amtsträgern? Andererseits: Warum soll er keines schreiben?

Es ist ja nicht so, dass der Mann nichts zu erzählen hat. Er hat viel Gutes getan, etwa nach dem Tod von Robert Enke; er hat gegen Homophobie gekämpft; er hat den Frauenfußball gestärkt; er hat sich leidenschaftlich für die gründliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des DFB eingesetzt.

Ausgeprägte Eitelkeit und großes Sendungsbewusstsein

Es gab auch jenen Zwanziger mit der ausgeprägten Eitelkeit und großem Sendungsbewusstsein, für dessen Amtsführung das Wort „Theokratie“ kreiert wurde. Er war beleidigt, wenn die Kanzlerin ihn bei einem Kabinenbesuch der Nationalelf nicht um Erlaubnis fragte. Im Streit mit dem Journalisten Jens Weinreich, der ihn „Demagoge“ nannte, begann er eine Prozessschlacht, die er krachend verlor und bei welcher der Jurist ein seltsames Rechtsverständnis offenbarte.

Während man das alles gut, uninteressant oder sonst wie finden kann, ist ein Teil seiner Darstellung ernsthaft bedenklich: sein Lob für den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter und die Kritik an dessen Kritikern. Zwanziger ist mitnichten reiner Privatier, der Richter vertritt weiter auf internationaler Bühne den deutschen Fußball. Er sitzt im 24-köpfigen Exekutivkomitee des Weltverbandes Fifa. Das ist jenes sagenumwobene Gremium, das von manchem Mitglied missverständlich als Geldautomat verstanden wurde. Mehr als die Hälfte der Mitglieder sah und sieht sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, vier haben ihren Posten deswegen eingebüßt. Und über allem thront Blatter. Zwanziger mag Blatter. Das hat er jetzt auch geschrieben. In seinen Augen ist Blatter integer, habe „seinen Reformwillen klar bekundet und Macht aus der Hand gegeben mit der Schaffung einer neuen Ethikkommission“. Vor Gericht wurde in einer Einstellungsverfügung im ISL-Korruptionsfall festgestellt, dass Blatter über die Schmiergeldzahlungen an Fifa-Funktionäre im Bilde war, ohne etwas zu unternehmen.

Die „Süddeutsche“ forderte Zwanziger wegen seiner Verklärung für den „Gottvater der Korruption“ zum Rückzug aus dem Fifa-Amt auf. „Theo, der Ungeeignete“, stand über einem Kommentar.