Rudolf Röder hat ein lesenswertes Buch über die Eisenbahnpioniere Carl Etzel und Ludwig Klein geschrieben. Zugleich ist es ein Plädoyer für den Erhalt der wenigen noch erhaltenen Bauwerke aus der Gründerzeit um 1845 – beispielsweise dem Portal des „alten“ Rosensteintunnels.

Stuttgart - Dass der Eisenbahnbau keine einfache Sache ist, braucht man in Stuttgart heute niemandem mehr zu erklären. Dennoch schärft die Lektüre des mit viel Fachwissen und Engagement von Rudolf Röder verfassten und vor wenigen Wochen erschienen Buches über die beiden württembergischen Eisenbahnpioniere Carl Etzel und Ludwig Klein den Blick auf Herausforderungen und Probleme, auf Sinn und Unsinn aktueller Projekte wie Stuttgart 21. Und es verwundert nicht, dass bei der Präsentation des Buches im Cannstatter Kursaal die Gegner des Großprojekts in der Mehrheit waren.

 

Etzel und Klein schufen die „erste Section der schwäbischen Eisenbahn“ von Esslingen über Cannstatt und Stuttgart nach Ludwigsburg. Und es gibt noch Zeugnisse dieser echten Pionierleistung: das Portal des „alten“ Rosensteintunnels, das in erbärmlichem Zustand seit Jahren vor sich hin gammelt. Es zu erhalten und herauszuputzen ist das Anliegen Röders und des Vereins zur Förderung und Erhaltung historischer Bauten.

Verein will Portal retten

Frank Schweizer, Vorsitzender des Vereins, nutzte die Buchvorstellung im Kleinen Kursaal dann auch zu einem Plädoyer für den Erhalt des Portals, das direkt unter dem Schloss Rosenstein liegt. „Es ist das älteste Eisenbahnbauwerk Württembergs und versinnbildlicht die Historie“, sagte er. Das Kulturdenkmal sei aber in einem „katastrophalen Zustand“. Das zugemauerte Portal ist mit Graffiti besprüht, die Terrasse darüber zerfallen und zugewuchert. Niemand scheint sich darum zu kümmern.

Der Verein will deshalb eine Initiative zum Erhalt starten, was auch eine Weichenstellung sein könnte für ein viel größeres Projekt. Der „alten“ Rosensteintunnel, durch den die von Cannstatt kommenden Züge in den damaligen Stuttgarter Bahnhof an der Bolzstraße rollten, ist nämlich auch noch erhalten. Die hässliche Mauer in dem Portal könnte also entfernt und der Einlass mitsamt dem Tunnel wieder zugänglich gemacht werden – möglicherweise als Rad- und Fußgängerweg vom neuen Quartier Rosensteinviertel in Richtung Neckar.

In diesem Zusammenhang richtet sich der Blick zudem auf die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute und nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebesserte Eisenbahnbrücke zum heute noch genutzten größeren Rosensteintunnel. Dieses Bauwerk wird für Stuttgart 21 nicht gebraucht, auch es könnte für den Rad- und Fußgängerverkehr erhalten werden. Doch der ebenso rührige wie kleine Verein will sich nicht übernehmen, so Schweizer: „Mit der Brücke sollen sich andere Initiativen beschäftigen, wir konzentrieren uns auf das Portal“. Zunächst will er Führungen anbieten und die Öffentlichkeit informieren.

Kostensteigerungen gab es damals nicht

Das Portal spielt auch in dem 321-seitigen Buch eine Rolle – im letzten Kapitel, in dem Experte Röder nicht nur die Leistung Etzels und Kleins würdigt, sondern auch einen nicht gerade schmeichelhaften Vergleich zu heutigen Bahnbauprojekten und der Rolle von Firmenchefs und Politikern zieht. „Kostensteigerungen von 100 Prozent oder ein Vielfaches davon kannten Etzel und Klein nicht“, stellt er lapidar fest.

Hauptsächlich beschäftigt sich der Autor aber mit den Planungen für die württembergische Eisenbahn, mit der Auswahl der Strecken, mit den Bauwerken und dem 1845 gestarteten Betrieb. Angereichert ist dieser sachkundige Ausflug in die Anfänge eines neuen Verkehrsmittels mit Kurzbiografien wichtiger Persönlichkeiten, zahlreichen Zeichnungen und – teilweise von Röder gemalten – Abbildungen. Von einem „Bilderbuch mit aufschlussreichen Texten zum Beginn der Eisenbahn in Württemberg“, spricht Schweizer zurecht. Außerdem werden die Leistungen und Lebensläufe von Carl Etzel (1812 bis 1865) und Ludwig Klein (1813 bis 1881) dargestellt, die wegen ihrer Verdienste das „von“ verliehen bekamen und sich „in wunderbarer Weise ergänzten“, so Röder: „Etzel war der Planer, Klein der Organisator.“

Röder, der jahrelang in Archiven forschte, hat im übrigen auch herausgefunden, dass der Stuttgarter Untergrund schon vor mehr als 150 Jahren tückisch war: Beim Tunnelbau gab es direkt unter dem Schloss Rosenstein einen Einbruch, weil ein Wasserspiel im königlichen Garten undicht war und den Boden aufgeweicht hatte. Dem Problem war nur von oben beizukommen, deshalb bat Etzel um eine Audienz beim König, der „anstandslos die Erlaubnis zu dieser Operation gab – und sie gelang.“

Schon wegen dieser Anekdote, die Röder detailliert schildert, hätten Portal und Tunnel es verdient, deutlicher als bisher in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und mehr Fürsprecher zu finden: Sie sind ein Stück Zeit- und Eisenbahngeschichte des Landes, und sie sind Zeugnis des Schaffens zweier außergewöhnlicher Ingenieure, an die in Stuttgart außer Straßenschildern mit ihren Namen blamabel wenig erinnert.