Auch wenn viele Geschäfte in den vergangenen Jahren aufgeben mussten, es geht auch anders. Zur Frankfurter Buchmesse stellen wir drei Läden aus Stuttgart vor, die sich auf unterschiedliche Weise auf dem Markt behaupten.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Stuttgart - Es sind gute Nachrichten, die der Börsenverein des deutschen Buchhandels dieser Tage vermeldet: „Trotz der Medienkonkurrenz ist das Interesse an Büchern in Deutschland ungebrochen“, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. Der deutsche Buchmarkt, der zweitgrößte weltweit nach den USA, stehe sehr gut da. Dass der Umsatz 2014 leicht im Minus lag, habe vor allem an fehlenden Bestsellern gelegen. Aber: „Der stationäre Buchhandel schnitt dabei besser ab als der Online-Handel – bereits im zweiten Jahr in Folge.“ Dies sei ein Zeichen dafür, dass Kunden wieder verstärkt im Buchladen vor Ort einkauften.

 

Erlkönig besetzt eine Nische Als Thomas Ott 1983 den Erlkönig eröffnete, war er ein Pionier. Kein Händler hatte bekannte Bücher zum Thema Homosexualität vorrätig, wie Ott feststellte. Und nur drei von zehn erklärten sich bereit, sie zu bestellen, erzählt er. „Es hieß: Solchen Schweinkram führen wir nicht.“ Ein Freund überredete Ott, einen „schwulen Buchladen“ zu eröffnen. „Der Laden sollte auch für die Emanzipation der Schwulen da sein“, erinnert sich Ott. Damals habe es fast nur englischsprachige „schwule Literatur“ gegeben, sagt er. Die „Blindheit“, so Ott, herrschte auch unter den Schwulen selbst: „Viele wussten nicht, was mein Laden sein soll, ein Sexshop? Das sind wir nicht. Es gibt ja auch anspruchsvolle Literatur für Schwule.“ Heute ist der Erlkönig einer von zwei solchen Buchläden in Deutschland, der andere hat seinen Sitz in Berlin. Das Sortiment an der Nesenbachstraße 52 umfasst auch Literatur für Lesben, Transsexuelle oder Bisexuelle. „Mit unserem Fachwissen setzen wir uns von der Konkurrenz ab“, sagt Thomas Ott. Als Beispiel nennt er den jüngsten Roman des US-Amerikaners David Leavitt. „Späte Einsichten“ heißt das Buch, das Cover zeigt eine Frau. Im Buch geht es um zwei Ehepaare im Exil, und die beiden Männer verlieben sich ineinander. „Wenn man nicht weiß, dass Leavitt ein schwuler Autor ist, kann man das Buch nicht richtig einordnen“, sagt Ott. Er dagegen kann es. Er kennt sich aus mit aktuellen Debatten in der Szene, gibt Lesetipps, weiß, welche Bildbände zu schwuler Kunst erscheinen. Coming-Out-Ratgeber seien weniger gefragt als früher: „Das Wissen holen sich die Jungen meistens im Internet.“ Viele Kunden kommen von weiter weg. Trotzdem gehen die Umsätze seit Jahren zurück. Auch deshalb bastelt Ott an einem Online-Shop. „Der Shop greift nicht auf die Datenbank anderer Onlinehändler zurück“, sagt Ott. Also muss er jeden Titel aufwendig von Hand eintragen.

Der Laden habe auch heute noch seine Daseinsberechtigung, findet Ott. „Es gibt auch Fachbuchhandlungen für juristische oder christliche Literatur.“ Außerdem sei es wichtig, sich als Schwuler mit dem sozio-historischen Kontext zu beschäftigen. Und einen Hoffnungsschimmer gebe es: Ganz gezielt kommen viele junge schwule Männer in den Laden, die sich beraten lassen, die stöbern und sich mit Freunden treffen.

Wittwer will ein Treffpunkt sein

„Amazon muss uns keine Angst mehr machen“, sagt Rainer Bartle, Geschäftsführer von Wittwer. „Wir haben uns über 147 Jahre eine klare Positionierung im Markt erarbeitet.“ Wenn Menschen in Remseck oder Zuffenhausen an Bücher denken, so Bartle, „dann muss der zweite Gedanke Wittwer sein“. 80 000 Titel hat das Buchhaus stets auf Lager, vier Millionen können binnen 24 Stunden bestellt werden. Wittwer legt Wert darauf, ein Treffpunkt zu sein, nicht nur ein Laden. Dazu sollen die „Shops in Shop“, also das Hochland-Café, die große Reiseführerabteilung oder die Ticketagentur beitragen. Wittwer beschäftige zudem ausschließlich ausgebildete Buchhändler, keine Verkäufer, betont Bartle. „Unsere Mitarbeiter kennen die Wünsche der Kunden, selbst wenn die vielleicht noch nicht wissen, was sie suchen.“ Auf der Internetseite kann man auch E-Books herunterladen. „Das Wachstum in diesem Bereich ist vorhanden“, sagt Bartle, „ist aber nicht so groß, wie es schon einmal war.“

Vaihinger Buchladen als Nahversorger

Auf der Internetseite des Vaihinger Buchladens fallen sofort die Buchtipps ins Auge. „Wir haben alle unterschiedliche Geschmäcker“, sagt die Inhaberin Karin Bilsing über sich und ihre drei Mitarbeiterinnen. „Das ins Internet zu übertragen, bot sich an. Eine persönliche Empfehlung ist etwas anderes als ein Logarithmus.“ Vor zwei Jahren ist der Webauftritt neu gestaltet worden. „Die Seite ist verknüpft mit unserem Warensystem, man bestellt bei uns, nicht beim Großhändler“, sagt Bilsing. Was v orrätig ist, wird bei Bestellung vor 18 Uhr am nächsten Tag geliefert, von den Mitarbeitern auf dem Transport-E-Bike persönlich. Etwa zehn Prozent ihres Umsatzes, schätzt Bilsing, werden in diesem Jahr die Online-Bestellungen ausmachen. „Unsere Zielgruppe sitzt direkt vor Ort in Vaihingen“, sagt sie. „Wir sind eine Stadtteilbuchhandlung.“ Größtenteils Stammkunden habe das Geschäft an der Robert-Leicht-Straße. Bilsing bietet auch einen Firmenservice an: Unternehmen können Fachliteratur bestellen sowie Geschenke für Mitarbeiter oder Geschäftskunden. „Bücher als hochwertige Geschenke, das kommt an“, sagt sie. Regelmäßig veranstaltet sie Lesungen, aber am beliebtesten sind die Buchtipps: „Wir stellen unsere Lieblingsbücher der Jahreszeit vor“, erklärt sie. „Vor Weihnachten können wir uns vor Anfragen nicht retten.“ Karin Bilsing, die den Laden seit 2007 führt, räumt ein, dass die Margen nicht größer geworden seien, „aber wir punkten mit dem Persönlichen. Das ist der Wandel des Berufes, das gehört dazu“.