Der Bunte Bücherladen erhält das neue Gütesiegel des Landes zu Kinder- und Jugendliteratur. Wie stellt die Buchhändlerin Dagmar Bähr das Sortiment zusammen?

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Bernhausen - Wenn das Kind Lesen lernt, ist das für viele Eltern einerseits schön und andererseits traurig. „Viele Eltern vermissen das Vorlesen, die gemeinsam verbrachte, innige Zeit“, erzählt Dagmar Bähr. Da hat die Buchhändlerin einen Vorschlag: „Es gibt die ‚Erst ich ein Stück, dann du’-Bücher“, sagt Bähr, „die so konzipiert sind, dass Eltern und Kinder abwechselnd daraus vorlesen.“

 

Bähr kennt sich aus mit Kinder- und Jugendliteratur. Im Bunten Bücherladen ist sie genau dafür zuständig. Der Buchladen ist jüngst mit einem neuen Gütesiegel des Landesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst ausgezeichnet worden. Er darf sich nun „Ausgezeichneter Lesepartner für Kinder- und Jugendliteratur in Baden-Württemberg“ nennen.

Was Dagmar Bähr macht, um genau die richtigen Bücher in die Regale des Ladens zu stellen? Lesen, Lesen, Lesen. Sie liest die meisten der Neuerscheinungen selbst, hat früher auch ihren Kindern viel zum Probelesen gegeben. Sie kennt sich aus in ihrem Metier, kann aus dem Stegreif Empfehlungen abgeben, kennt die schönsten Illustrationen und weiß, was neu aufgelegt wird. Aber auch die Rückmeldungen von Testlesern helfen ihr: „Das sind Kinder und Jugendliche, die von uns ein Buch bekommen, es lesen und dann dazu einen Fragebogen ausfüllen“, erklärt Bähr. „Als Erwachsener schätzt man Bücher doch oft anders ein als die Kinder.“

Lesekoffer gehen auf Reise durch die Schulen

Sie packt regelmäßig sogenannte „Lesekoffer“, die auf die Reise durch die Filderstädter Grundschulen gehen, aus dem sich die Kinder Bücher ausleihen können, und geht in Kindergärten und Schulen, um dort die Neuerscheinungen vorzustellen. Zum Welttag des Buches im April organisiert sie regelmäßig Aktionen, in diesem Jahr eine Führung für Schulklassen im Laden. „Das war auch eine super Gelegenheit, von den Kindern zu hören, was sie spannend finden und was sie interessiert“, erinnert sich Bähr. Buchserien sind nach wie vor sehr gefragt. „Da kennt man die Charaktere schon, und spannende Momente sind leichter auszuhalten, weil man weiß, dass es weiter geht.“

Der Kinderbuchteil des Ladens lädt mit einem Sitzsack zum Schmökern ein, sowie für die ganz Kleinen eine Spielküche und ein Schaukelpferd. Die Jugendlichen haben ein eigenes Regal, weg von den Kindern und stattdessen bei den Erwachsenen: „Jung und cool“ heißt sie. Und bei den Jungen und Coolen ist gerade „Thalamus“ von Ursula Poznanski angesagt, eine spannende Geschichte über einen Jungen, der in einer Rehaklinik Zeuge von medizinischen Experimenten wird. Auch Fantasy und Science Fiction laufen gut. „Sehr wichtig ist, dass die Welt, die aufgebaut wird, in sich schlüssig ist“, sagt Bähr und nennt die „Harry Potter“-Autorin J.K. Rowling als bestes Beispiel. „Sie weiß bis ins kleinste Detail, wie die Welt aussieht, die sie erschaffen hat, und kann es einfach aufschreiben. In anderen Büchern wirkt das oft konstruiert.“

„Lesen ist wieder cool“

Bei Kindern ab acht Jahren ist die „Schule der magischen Tiere“ immer noch sehr beliebt, bei Kindern ab zwölf Jahren die „Warrior Cats“-Reihe: Darin geht es um ein Hauskätzchen, das sich einem Clan wilder Katzen anschließt und Abenteuer erlebt. „Bei Karl May beginnt ein Buch oft mit seitenlangen Landschaftsbeschreibungen – das geht nicht mehr“, sagt Dagmar Bähr. „Es muss gleich zur Sache gehen.“ Sie hat das Gefühl, dass Lesen jetzt auch wieder „cool“ ist: „Eine Zeit lang ging das Tablet vor, aber jetzt scheint das Pendel zurückzuschwingen.“ E-Books gibt es im Bunten Bücherladen auch, aber Bähr erzählt gerne von dem kleinen Jungen, der ihr mal erklärte, warum er lieber „ein richtiges Buch“ liest: Da könne man mit einem Blick auf das aufgeschlagene Buch sehen und auch anfassen, wie weit man im Buch sei.