Für Autoren, die ihre Werke selbst publizieren wollen, gibt es im digitalen Zeitalter immer mehr Optionen. Ihre Zahl steigt rasant, sie sind längst keine naiven Einzelkämpfer mehr.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Frankfurt - Rohkost für Hunde? An eine solche, auf den ersten Blick seltsam wirkende Nische hat kein deutscher Verlag geglaubt. Da half auch alles Klinkenputzen der Autorin Susanne Reinerth nichts. Doch am Stand von Books on Demand (BOD), nach eigenen Angaben die größte Plattform für selbst verlegte Bücher in Europa, ist das Buch „Natural Dog Food – Rohfütterung für Hunde“ ein Erfolgstitel, den man gerne vorzeigt. Die Auflage ist inzwischen fünfstellig, was das Buch in Deutschland schon zu einem kleinen Bestseller macht. Und fünfstellig dürfte auch der Eurobetrag sein, den die Autorin damit verdient hat. Band zwei, Rohfütterung für Katzen, steht am Messestand schon im Regal.

 

Für Thorsten Simon, Sprecher des 2000 gegründeten Dienstleisters, der heute 25 000 Autoren betreut und 10 000 Titel im Jahr verlegt, ist das ein typischer Fall: „Verlage haben für manche Nischen eben keinen Blick.“ Ein anderer Erfolgstitel mit veganen Rezepten traf weniger eine exotische Nische, sondern den Zeitgeist: Der Titel kam sofort auf den Markt, als das Thema hochkochte. „Die Umsetzung bei solchen Büchern geht viel schneller als bei einem gewöhnlichen Verlagsprojekt“, sagt Simon.

Bücher werden erst gedruckt, wenn sie auch bestellt sind

Eine Lagerhaltung gibt es nicht. Exemplare werden nur gedruckt, wenn sie jemand bestellt. Wer das entsprechende Paket für eine Jahresgebühr von 19 Euro bucht, dem gewährleistet BOD, dass sein Opus ganz konventionell bestellbar ist, ob im Buchhandel oder auf Online-Plattformen. Der Dienstleister verdient mit jedem gekauften Buch – bei E-Books behält er beispielsweise die Hälfte des Erlöses ein. „Self-Publishing“, wie es auf der Frankfurter Buchmesse neudeutsch heißt, liegt im Trend – in Frankfurt reiht sich auf einem eigenen Podium eine Veranstaltung zu diesem Thema an die andere. Autoren, die ihre Werke selber publizieren, sind längst nicht mehr naive Einzelkämpfer, die Tausende Euro Vorschuss hinblättern, um Bücher verstauben zu lassen, die keiner will.

Einer der größten Bestseller der vergangenen Jahre, der allein in Deutschland fast sechs Millionen Mal verkaufte Erotikroman „Shades of Grey“, wurde zuerst auf einer Website der Autorin veröffentlicht – bis 2012 ein Verlag die Rechte übernahm. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Literaturbetrieb die Skepsis gegenüber selbst verlegten Büchern noch nicht abgelegt hat, werden diese Werke in den USA inzwischen von den Kritikern ernst genommen. Aber auch hierzulande kommt zu den rund 90 000 im Jahr von Verlagen auf den Markt gebrachten Titeln ein weiteres Fünftel, wo die Autoren die Texte selbst publizieren – allerdings oft in kleinen Auflagen.

Florian Geuppert, der Geschäftsführer von BOD, sagt voraus, dass es binnen weniger Jahre genauso viele Titel im Selbstverlag geben wird wie konventionell veröffentlichte. „Die Titelvielfalt der Verlage wird tendenziell geringer werden, weil sie sich stärker auf das konzentrieren müssen, was die Erträge bringt“, sagt Geuppert. Gleichzeitig würden sich die technischen und organisatorischen Möglichkeiten bei Herstellung, Vertrieb und Marketing von selbst verlegten Büchern ständig verbessern.

Eine Reihe von Entwicklungen sind hier zusammengekommen. Es begann damit, dass wegen des modernen Digitaldrucks auch kleinste Auflagen auf Bestellung produziert werden können. Die Qualität ist heute vom Offsetdruck kaum noch zu unterscheiden. Dann eröffnete das Internet den Autoren individuelle Möglichkeiten der Selbstdarstellung und der Präsentation ihrer Bücher. Das E-Book und elektronische Lesegeräte haben in den vergangenen Jahren die Vertriebswege weiter verbreitet und die Produktion noch günstiger gemacht. Und heute eröffnen soziale Netzwerke oder Kommunikationsplattformen wie Twitter einen ganz anderen, unmittelbaren Zugang zum Publikum. Autoren, die mit diesem Instrument umzugehen verstehen, können sich eine eigene Fangemeinde aufbauen und direkt mit ihr kommunizieren. Damit besteht nun auch die Möglichkeit, das Marketing in die eigenen Hände zu nehmen – was bisher noch die alleinige Domäne der Verlage war.

Experten sehen die Zukunft in verlegerischen Mischformen

Doch Branchenexperten glauben, dass die Zukunft den Übergangsformen zwischen Selbstverlag und traditioneller Publikation gehören wird. „Ich glaube nicht, dass jeder Autor zum Vermarkter in eigener Sache werden will“, sagt Jakob Meiner, Marketingexperte der Münchner Hey-Publishing-GmbH, die ihren Schriftstellern etwa die Möglichkeit anbietet, dass sich Autoren gegenseitig lektorieren. Als erster deutscher Verlag engagiert sich Droemer Knaur seit Ende 2012 mit seinem Ableger Neobooks im Bereich des Selbstverlags. Um die Kosten niedrig zu halten, beschränkt man sich auf elektronische Bücher. Dafür ist die Dienstleistung für die Autoren kostenlos. Erst wenn Exemplare heruntergeladen werden, behält Neobooks 30 Prozent der Erlöse für sich.

Doch für Droemer Knaur sind das „Self-Publishing“ und die konventionelle Publikation kommunizierende Röhren. „Für uns ist das eine Plattform, um Talente zu entdecken“, sagt Juliane Reichwein von Neobooks. Deshalb lässt sich Droemer Knaur auch den ersten Zugriff auf die Texte reservieren. Lektoren können auf Neobooks aktuelle Trends erspüren. Inzwischen hat Droemer Knaur mit 60 Autoren einen Vertrag abgeschlossen, sieben von ihnen haben es bereits geschafft, im regulären Taschenbuchprogramm zu landen.