Eine weiße Laufschrift zieht an Büchern, Plakaten, Radioapparaten, Bildschirmen und E-Book-Readern hinter spiegelndem Glas vorbei: „Schreibt man ein Buch für Menschen, die Bücher lesen, kann das niemals ein richtiger Bestseller werden. Schreibt man ein Buch für Fernsehzuschauer, geht das.“ Das Zitat der Bestsellerautorin Charlotte Roche ist nur eines von vielen widersprüchlichen Bonmots einer Medieninstallation, aber es bringt die Krux des Museums auf den Punkt. Eine Buchausstellung primär für Bibliophile wäre langweilig für die Mehrzahl der aktiven Mediennutzer, insbesondere für die Computervirtuosen der jüngeren Generation. Sie würde dem Bildungsauftrag des Museums nicht gerecht.

 

Selbst wer keine gedruckten Bücher mehr liest, hat doch täglich mit Schrift zu tun. „Schrift geht alle an“, sagt Stephanie Jacobs, deshalb beginnt der Ausstellungsparcours mit einer Rückblende auf Höhlenmalereien und Muschelketten, die Vorläufer von Schriftsystemen, um sodann die Besucher mit einer Tätowiermaschine und einer Graffitispraydose zu konfrontieren. Von einer Ausstellungswand leuchten Schriftzüge wie „Helvetica“, „Palatino“ oder „Times“, die inzwischen jedem vertraut sind, der am Computer schreibt und sich zwischen Schriftarten und Schriftgrößen entscheiden muss.

Früher war die Typografie eine Geheimwissenschaft, heute ist fast jeder sein eigener Typograf. Da hakt das Museum ein, klärt kurz über die Herkunft der Schriften auf und sensibilisiert für ihre praktischen Anwendungen. Wer weiß schon, warum die hässliche Schrift auf deutschen Autokennzeichen FE-Schrift heißt? FE bedeutet „Fälschungen erschwerend“, sie wurde im Zuge der Terrorabwehr vom Bundeskriminalamt nach dem Deutschen Herbst 1977 in Auftrag gegeben und ist überdies maschinenlesbar.

Wikipedia ist ein Buch mit anderen Mitteln

Was an Inhalten in der elektronischen Medienwelt zirkuliert, speist sich nach wie vor im Wesentlichen aus der Überlieferung der Buchkultur. Die Idee von Wikipedia stammt nicht aus dem Internet, sondern geht auf die gedruckten Enzyklopädien zurück. Und gibt es womöglich Parallelen zwischen der Gutenberg-Revolution und der aktuellen Veränderung der Medienlandschaft?

Heute ist jeder sein eigener Typograf

Eine weiße Laufschrift zieht an Büchern, Plakaten, Radioapparaten, Bildschirmen und E-Book-Readern hinter spiegelndem Glas vorbei: „Schreibt man ein Buch für Menschen, die Bücher lesen, kann das niemals ein richtiger Bestseller werden. Schreibt man ein Buch für Fernsehzuschauer, geht das.“ Das Zitat der Bestsellerautorin Charlotte Roche ist nur eines von vielen widersprüchlichen Bonmots einer Medieninstallation, aber es bringt die Krux des Museums auf den Punkt. Eine Buchausstellung primär für Bibliophile wäre langweilig für die Mehrzahl der aktiven Mediennutzer, insbesondere für die Computervirtuosen der jüngeren Generation. Sie würde dem Bildungsauftrag des Museums nicht gerecht.

Selbst wer keine gedruckten Bücher mehr liest, hat doch täglich mit Schrift zu tun. „Schrift geht alle an“, sagt Stephanie Jacobs, deshalb beginnt der Ausstellungsparcours mit einer Rückblende auf Höhlenmalereien und Muschelketten, die Vorläufer von Schriftsystemen, um sodann die Besucher mit einer Tätowiermaschine und einer Graffitispraydose zu konfrontieren. Von einer Ausstellungswand leuchten Schriftzüge wie „Helvetica“, „Palatino“ oder „Times“, die inzwischen jedem vertraut sind, der am Computer schreibt und sich zwischen Schriftarten und Schriftgrößen entscheiden muss.

Früher war die Typografie eine Geheimwissenschaft, heute ist fast jeder sein eigener Typograf. Da hakt das Museum ein, klärt kurz über die Herkunft der Schriften auf und sensibilisiert für ihre praktischen Anwendungen. Wer weiß schon, warum die hässliche Schrift auf deutschen Autokennzeichen FE-Schrift heißt? FE bedeutet „Fälschungen erschwerend“, sie wurde im Zuge der Terrorabwehr vom Bundeskriminalamt nach dem Deutschen Herbst 1977 in Auftrag gegeben und ist überdies maschinenlesbar.

Wikipedia ist ein Buch mit anderen Mitteln

Was an Inhalten in der elektronischen Medienwelt zirkuliert, speist sich nach wie vor im Wesentlichen aus der Überlieferung der Buchkultur. Die Idee von Wikipedia stammt nicht aus dem Internet, sondern geht auf die gedruckten Enzyklopädien zurück. Und gibt es womöglich Parallelen zwischen der Gutenberg-Revolution und der aktuellen Veränderung der Medienlandschaft?

Neben Gutenbergs Handwerkszeug zeigt die Ausstellung Gussformen und Lettern aus Metall, mit denen in Korea schon Jahrzehnte zuvor gedruckt wurde. Gutenberg perfektionierte das Gussverfahren nur, er hatte einen Geldgeber und eine Werkstatt, er machte die Technologie des Buchdrucks marktreif. Hinter den Phantombildern mit dem langen Bart wird gleichsam ein Steve Jobs des 15. Jahrhunderts sichtbar.

Auch die Zensur ist Teil der Buchgeschichte

Hier die Heiligen Schriften der Christen, Moslems, Juden in Prachtausgaben, dort der „Index Librorum Prohibitorum“ des Vatikans und all die anderen Verzeichnisse von unerwünschten Büchern. Was wir für den Himmel und für die Hölle halten, stammt aus der Buchkultur. Zensurfallen und fantasievollen Widerstandsmaßnahmen von Autoren und Verlegern räumt die Ausstellung viel Platz ein, denn daran wird die Brisanz von Druckwerken schlagartig klar. Aufgeschlagen liegt die Abschrift eines Romans von Karl May, mit der Schreibmaschine abgetippt, weil der Autor in der DDR nicht im Buchhandel zu haben war. Beiläufig werden die Leipziger Besucher daran erinnert, dass ihre geliebte Nationalbibliothek seit dem Ersten Weltkrieg als Zensurstelle tätig war.

„Vielfalt, das ist das eigentliche Prinzip der Moderne, nicht die Vereinheitlichung, obwohl es sie auch gibt“, widerspricht Alexander Kluge auf dem Weg zum Ausgang der geschäftstüchtigen Medienfrau Charlotte Roche. Die Medieninstallation mit dem Laufband spiegelt das Schicksal des Buchs im 20. Jahrhundert. Immer wieder bedrängt und totgesagt, umstellt von Konkurrenzangeboten, hat sich das Buch dennoch als Kulturträger behauptet. „Wir hatten uns ja etwas Irrlichterndes vorgestellt, aber viele Besucher glauben, die Vitrinenbeleuchtung sei kaputt“, gibt Stephanie Jacobs zu. Dem Buchmuseum geht es nicht besser als dem Buchhandel und den Bibliotheken, es muss experimentieren, um sich in einer veränderten Medienlandschaft zu behaupten. Auf diesem Weg ist das Leipziger Ausstellungsteam risikofreudig vorangegangen. Dafür wird es am kommenden Donnerstag in Ludwigsburg mit dem Antiquaria-Preis für Buchkultur ausgezeichnet.