Der Streit über Stuttgart 21 nimmt kein Ende. Erstmals werben die Befürworter mit einem Druckwerk für ihre Sache – nicht ohne Polemik.

Stuttgart - Das Wortspiel ist fein ausgedacht: "Oben leben" heißt der Titel eines neuen Buchs des bisher unbekannten Autors Lutz Aichele. Natürlich spielt es damit auf den "Oben bleiben"-Schlachtruf der Gegner des Bahnprojekts an. Im Untertitel des Buches wird klar, worum es geht: "Warum Stuttgart 21 keine Alternative braucht - eine Faktensammlung." Auf 140 Seiten und mit vielen Abbildungen, Fotos und Grafiken versucht Aichele, die Argumente der Gegner zu entkräften. Dabei spart er nicht an Polemik.

 

Allein auf 15 Seiten bemüht sich Aichele, die Ängste um den "schwimmenden Bahnhof", den geologischen Untergrund oder die Gefährdung des Stuttgarter Mineralwassers als "Legenden" abzutun und spricht gar von "Schwachsinnspotenzial". Am Samstag ist das Buch droben im Stuttgarter Bahnhofsturm vorgestellt worden. Der Ansturm hielt sich in Grenzen, es gab Butterbrezeln und keine Pfiffe, von niemandem. Man war unter sich.

"Ich bin Laie"

Als Redner traten der Wegbereiter des Bahnprojekts, Gerhard Heimerl, der S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich und der Verleger des Buchs, Reinald Schröder, auf und erhielten für ihre Elogen allfälligen Beifall. Besonderer Gag: auch Stefan Faiß durfte auftreten - ein Grüner, der wegen seiner abweichlerischen Haltung zum Bahnprojekt vom Esslinger Kreisvorstand der Partei zurückgetreten ist und sich darob von der Befürwortergemeinde als Exot feiern ließ. Klar, dass er für Sprüche wie "lieber Gleisflächen bebauen als Streuobstwiesen für den Wohnungsbau zu opfern" Applaus erhielt. Da nahm man es auch hin, dass der Grüne keck einräumte, er sei "kein CDU-Anhänger". Aber er wolle eben "mit Argumenten überzeugen - wie der Herr Aichele in seinem Buch".

Doch wer ist Lutz Aichele? In Befürworter-Kreisen ist der IT-Berater, Jahrgang 1970, vor allem bei der Facebook-Gemeinde bekannt, wo auch der Diepholzer Verleger für Regionalkultur, Reinald Schröder, auf ihn aufmerksam wurde. Aichele räumte ein: "Ich bin Laie und auch nicht im Schnellwaschgang zum Experten geworden." Noch im Sommer, als die Diskussionen über Stuttgart 21 plötzlich auch auf Partys breiten Raum einnahmen und die Gegnerdemos immer stärker besucht wurden, sei er bezüglich des Bahnprojekts "hin- und hergerissen" gewesen. Auf der anderen Seite habe er im Blick auf die immer augenfälliger werdenden Buttons und grünen Schals gedacht, "die sollten einem leidtun, weil die kein richtiges Thema zum Demonstrieren haben". Er selbst sei wenigstens noch gegen die Atomraketen auf die Straße gegangen, so Aichele.

Fachlicher Input per Facebook

Der Abend nach dem 30. September, bei einem Essen mit Freunden, sei schließlich "der Startschuss für das Buch" gewesen. Er habe sich den Bauzaun angeschaut und die Argumente der Gegner als überzogen empfunden. "Ich komm aus der IT-Branche, da kommt man ohne eine gewisse Logik nicht aus", so Aichele. Den fachlichen Input sammelte er aus Facebook, wo er ein eigenes PDF einstellte - und es oft zweimal am Tag änderte, je nachdem, welche neuen Hinweise er erhielt. "Aber ich habe auch gemerkt, wie schwer es ist, die falschen Argumente der Gegner technisch zu entkräften." Doch nun, davon ist Aichele überzeugt, sei in dem Buch "alles wasserdicht".

Lutz Aichele: Oben leben. Warum Stuttgart21 keine Alternativen braucht. Schröderscher Buchverlag, Diepholz. 140 Seiten, 14,50 Euro.