Zwei neue Bücher über die Rückkehr der Tiere nach Deutschland versuchen die emotionale Debatte zu versachlichen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Vor kurzem sind zwei sehr unterschiedliche Wolfsbücher erschienen. Andreas Beerlage ist Journalist und ging als neutraler Beobachter an das Thema heran; im Lauf der Recherche zu „Wolfsfährten“ wuchs aber, wie er einräumt, seine Sympathie für die Schäfer und deren Nöte. Günther Bloch und Elli H. Radinger dagegen sind seit 25 Jahren Experten und haben nach eigenen Angaben mehr als 20 000 Wolfsbegegnungen gehabt. Sie lieben diese Tiere, was in „Der Wolf kehrt zurück“ deutlich zu spüren ist.

 

Und doch haben alle drei Autoren etwas gegen die gefühlsduseligen „Wolfskuschler“ wie gegen die panikverbreitenden „Wolfshasser“ – und in zwei zentralen Punkten der aktuellen Diskussion stimmen die zwei Bücher ganz überein.

Wie gefährlich sind Wölfe wirklich?

Erstens in der Frage: wie gefährlich sind Wölfe wirklich? Wölfe greifen in der Regel keine Menschen an, das sehen die Autoren als Fakt an. Aber es kann Ausnahmen geben, vor allem, wenn Wölfe angefüttert worden sind und sich an den Menschen gewöhnt haben – oder wenn sie tollwütig sind. Dann können sie aggressiv werden. Bloch zitiert eine neue Studie, nach der es zwischen 1950 und 2000 in Europa zu 59 Wolfsangriffen auf Menschen kam – bei 15 000 Wölfen. 38 Angriffe gingen von tollwütigen Wölfen aus.

Wahr sei aber auch, so Bloch und Ellinger, dass sie bei ihren Forschungen sogar von Wölfen, die Welpen mit sich führten, nie angegriffen worden seien. Das Autorenteam gibt detaillierte Tipps für Wanderer, Gassigeher oder Reiter, die einem Wolf begegnen. Im Grundsatz soll man selbstbewusst auftreten und das Tier laut anrufen. Weniger Mutige könnten ein Pfefferspray mitnehmen. In Deutschland, wo seit 2000 wieder Wölfe leben (derzeit 300 bis 450 Tiere), kam es aber noch nicht zu gewalttätigen Situationen, sehr wohl aber zu vielen Begegnungen. Oft handelte es sich dabei um junge Wölfe, die naturgemäß umherstreifen und neugierig sind. Was alle Autoren kritisieren, ist der Umstand, dass es in den Bundesländern kein einheitliches Vorgehen für sogenannte „distanzgeminderte“ Wölfe gebe. Die Vergrämung mit Gummigeschossen funktioniere meist nicht.

Wie kann man den Schäfern helfen?

Der zweite zentrale Punkt der Debatte ist: Wie verhindert man, dass Wölfe Weidetiere reißen? Auch da müsse man ehrlich sein, heißt es in beiden Büchern. Höhere Zäune und spezielle Herdenhunde könnten das Risiko minimieren, aber nie ganz ausschalten. Wichtig sei deshalb, dass die Schäfer großzügige finanzielle Unterstützung für die Ausrüstung und bei einem Riss erhalten und dass sie die Sympathie und den Respekt der Bürger und Behörden finden. Dann könnten sich die Tierhalter auch mit dem Wolf arrangieren. Beerlage zitiert einen wichtigen Satz: „Der beste Schutz des Wolfes ist der Schutz des Schäfers.“ Laut einer Analyse des Kots von Wölfen in der Lausitz beträgt der Anteil der Haustiere an der Nahrung aber gerade 0,8 Prozent.

Bloch und Radinger können die schöneren Fotos, den klareren Aufbau und die größere Erfahrung für sich beanspruchen. Leider resultiert daraus eine teils störende Polemik, vor allem gegen die Medien, die angeblich alle den Wolf dämonisieren, was schlicht falsch ist. Beerlage dagegen nähert sich dem Thema eher erzählerisch. Sein Fazit aber trifft zu: Er wünscht sich, dass Wölfe möglichst ohne Emotionen betrachtet werden, weder als glorreicher Heilsbringer noch als mordlüsternes Raubtier. Jährlich gebe es viele Unfälle mit Wildschweinen, jährlich sterben mehrere Menschen durch Hundeattacken, dennoch komme keine so gefühlsbeladene Debatte auf wie beim Wolf: „Normalität ist das Beste, was dem Wolf passieren kann“, schreibt Beerlage.