Mit ihrem Roman „The Girls“ über die Morde der Manson Family wurde Emma Cline bekannt. Ihr neuer Erzählband „Daddy“ zeigt gestochen scharfe Momentaufnahmen einer Gesellschaft, der das Wasser bis zum Hals steht.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Das Schiff des Theseus ist ein Gedankenspiel, das einer der älteren Männer, die durch Emma Clines Erzählband irren, seiner um Jahrzehnte jüngeren Freundin zu erklären versucht. Aber sie hört kaum zu. Erstens ist es kompliziert, zweitens interessiert sie sich mehr für neueste Drogentrends. Angenommen, man ersetzt an einem Schiff im Laufe der Zeit alle alten Planken durch neue, hat man dann am Schluss auch ein neues Schiff, oder bleibt es immer noch der gleiche alte Kahn, mit dem man durch sein Leben schippert? Bevor der ältere Mann aus der Melancholie eines mit früheren Bekannten verbrachten Herrenabends seiner Freundin in den glückseligen Hafen eines Ketamin-Trips folgen wird, peinigt ihn diese Vorstellung: Auch wenn er sich noch so sehr verändert hat, nimmt alles, kaum hat sich der aufgewirbelte Staub gelegt, wieder seine alte Form an.