„Fliege fort, fliege fort“ hat viele Facetten: Die Sprache ist atmosphärisch dicht, in den Gedanken und dem Nachsinnen der Hauptpersonen liegt auch einiges an Melancholie und innerer Ruhe, die Dialoge sind pointiert und manchmal spitz, und die Handlung, die in die Vergangenheit führt, ist berührend und beängstigend: Am Schluss stellt sich heraus, dass Elvira „den Siegelring“, eine der besonders brutalen Bestrafungsmethoden des Direktors, auch kennt. Und all das wird oft nur so eben angedeutet, schnell ist es überlesen, die Narben, das Katzenfutter, der Siegelring… Große Literatur muss eben nicht deutlich sein.

 

Hochgatterers Roman ist die Geschichte einer besonders ausgefeilten Rache an Verbrechen in der Vergangenheit, weil die Strafe jeweils den Verbrechen angemessen ist. Er ist aber auch eine psychosoziale und verstörend genaue Gesellschaftsanalyse, die zeigt, wie Angst, Hass und Wut in Menschen eingepflanzt wird. Und zum Glück lässt er vieles offen: Billige, einfache Antworten sind nicht Hochgatterers Fall. Viel lieber erzählt er Geschichten, in denen sich Privates und Berufliches vermischen, zeigt, dass die Welt nicht heil ist, dass sich aber in ihr dennoch leben lässt. Dass sich vieles auch nicht auflösen lässt, auch die privaten Probleme nicht. Das Böse lauert eben überall, das Gute aber auch.

Paulus Hochgatterer: Fliege fort, fliege fort. Roman, Deuticke Verlag, 304 Seiten, 23 Euro