Im Landtag sollte der frühere Porsche-Pressechef sein neues Buch vorstellen. Doch als Ermittlungen gegen ihn bekannt wurden, machte das Parlament einen Rückzieher.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war eine Veranstaltung, wie sie im Landtag immer wieder einmal stattfindet. Gemeinsam hatten das Parlament, der Verlag und eine Buchhandelskette für vorige Woche zu einer Präsentation eingeladen: Vorgestellt werden sollte das neue Buch des langjährigen Kommunikationschefs von Porsche, Anton Hunger. „Blattkritik“ heißt das Werk, in dem sich der frühere Journalist kritisch über „Glanz und Elend der Journaille“ – so der Untertitel – auslässt. Unterzeichnet war die Einladung auch von der Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch von den Grünen.

 

Doch wenige Tage vor dem Termin wurde die Veranstaltung plötzlich verlegt. Statt in der Lobby des Landtags sollte der Pensionär Hunger nun in der Stuttgarter Stadtbibliothek mit früheren Berufskollegen diskutieren. Begründung: zunächst keine. Am abfälligen, klanglich an „Kanaille“ angelehnten Begriff „Journaille“, der einst von Karl Krauss geprägt und später von den Nationalsozialisten dankbar aufgegriffen wurde, lag es jedenfalls nicht.

Wegen Ermittlungen nicht erwünscht

Mit etwas Verzögerung gibt es aber erhebliche Irritationen über den Ortswechsel. In einem Interview mit der „Kontext Wochenzeitung“ beschwerte sich Hunger bitterlich über „die Chuzpe, die heutzutage an den Tag gelegt wird, wie man ja an der Ausladung des Landtags sehen kann“. Ausladung? Beim Sprecher des Landtags klingt das ganz anders: Man habe mit Autor und Verleger „einvernehmlich vereinbart, dass es besser sei, zum jetzigen Zeitpunkt von der Veranstaltung abzusehen“.

Einigkeit herrscht immerhin über den Grund der Absage. Erst nach der Absegnung des Termins im Präsidium, heißt es, habe das Parlament von laufenden Ermittlungen gegen Hunger erfahren. Der nämlich war im Zuge des Übernahmekrimis über Porsche und VW ins Visier der Stuttgarter Staatsanwaltschaft geraten. Nicht nur gegen die Aufsichtsräte der Porsche Holding richten sich die neuen Ermittlungen wegen Marktmanipulation, sondern auch gegen den einstigen Pressechef. Das Verfahren wegen Beihilfe ist für den 64-Jährigen „nicht nachvollziehbar“, näher aber könne und dürfe er sich zur Sache nicht äußern. Immerhin, witzelte er in dem Interview, sei er mit den Kontrolleuren „endlich mal auf Augenhöhe“.

Gilt die Unschuldsvermutung auch im Parlament?

Gar nicht witzig fand Hunger hingegen, dass ihn schon die bloßen Ermittlungen für den Landtag zur Persona non grata, also zur unerwünschten Person, machten. „So viel zum Thema Unschuldsvermutung“, kommentierte er bissig. Nach diesem Grundsatz hat jedermann als unschuldig zu gelten, solange er nicht verurteilt ist. In seinem Fall ist aber noch nicht einmal klar, ob überhaupt Anklage erhoben wird. Keine solchen Berührungsängste zeigte hingegen der Regierungssprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Rudi Hoogvliet. Er saß mit auf dem Podium, als dann eben in der Stadtbibliothek über Hungers Journalistenschelte diskutiert wurde. „Chapeau!“, lobte der Autor.

Duldet der Landtag generell keine Gäste, gegen die ermittelt wird? Und wie verträgt sich das mit der Unschuldsvermutung? Es handele sich „hier immer um eine Entscheidung im jeweiligen Fall“, antwortete der Parlamentssprecher. Wer konkret sie in diesem Fall getroffen hat, wurde hinter einem „man“ versteckt. Keine Sorgen müssen sich hingegen Abgeordnete machen, gegen die ermittelt wird – so wie derzeit wegen des EnBW-Deals gegen die Ex-Minister Willi Stächele und Helmut Friedrich Rau (beide CDU). Für sie gilt der Bann natürlich nicht. Zum einen, so der Sprecher, hätten Parlamentarier „keinen Gaststatus“. Zum anderen hätten staatsanwaltschaftliche Verfahren – auch wegen möglicher Untreue bei einem Geschäft mit Steuermilliarden – keine Auswirkung auf die „freie Ausübung des Mandats“.