Über die Zeit des Zweiten Weltkriegs gebe es viele Lügen, sagt der Echterdinger Arzt, Heimatforscher und Autor Hans Huber. In seinem neuen Buch will er mit den vermeintlichen Unwahrheiten aufräumen.

Echterdingen - Falsch, feige und verlogen – mit diesen Worten beschreibt Hans Huber den Großteil der Geschichten, die zum Zweiten Weltkrieg existieren. „Es wurde viel Falsches über diese Zeit berichtet“, ärgert sich der Echterdinger Arzt und Heimatforscher. Mit den vermeintlichen Unwahrheiten aus der Kriegszeit möchte der 90-Jährige aufräumen. In seinem neuen Buch mit dem Titel „Frech überlebt. 1926 – 1950. Kindheit und Jugend in Echterdingen“ schildert Huber „die ungeschminkte Wahrheit, auch wenn es manchmal wehtut“.

 

In seinem Werk stützt sich Huber auf seine vielen Tagebuchnotizen, die er zeitlebens auch in Kriegszeiten gemacht hat. Das Buch zeichnet den Weg Hubers von der behüteten Kindheit in Echterdingen als Muttersöhnchen und Großmutters Liebling zur Schulausbildung bis hin zur Kriegsteilnahme und der anschließenden Ernüchterung. Das mit zahlreichen historischen Aufnahmen aus dem Familienbestand bestückte Buch ist ein spannendes, mitunter amüsantes, aber auch erschreckendes Dokument über eine grausame Zeit, die Hans Huber anfänglich noch als Abenteuer empfand.

Überzeugt von der gerechten Sache

„Ich war begeistert bis zum letzten Tag, war überzeugt von der gerechten Sache, unser Vaterland verteidigen zu müssen“, erzählt das Echterdinger Urgestein. Hinterher zu behaupten, man sei gegen Hitler gewesen, sei heuchlerisch und verlogen. Man habe als junger Bursche dabei sein wollen, „das war in“, sagt Huber rückblickend. Die Siege in Frankreich und auf dem Balkan habe man gebührend bejubelt.

In der Heimat selbst habe man anfänglich nicht viel vom Krieg mitbekommen. „Ich war 13 Jahre alt und meine größte Sorge war, der Krieg könnte womöglich so schnell zu Ende gehen, dass es mir nicht mehr reiche, mitzumachen“, beschreibt Huber im Buch. Als der Krieg näher an die Heimat rückte und auch in Echterdingen die Fliegeralarme zunahmen, beobachtete Huber den Himmel und horchte den Bombardements, anstatt im Keller Schutz zu suchen. Mit 14 Jahren ging er freiwillig in die Flieger-HJ. „Mein Traum war es, Flieger zu werden und eine Karriere beim Militär zu machen“, so Huber.

Das sei eine wunderbare Zeit gewesen. Neben der praktischen Fliegerausbildung habe man viel Zeit in der Werkstatt verbracht und im theoretischen Unterricht Fluglehre, Wetterkunde, Navigation und weitere nützliche Dinge gelernt. „Für politische Firlefanzereien war da gar keine Zeit“, sagt Huber.

Die Kriegsbegeisterung ließ nicht nach

Seine Kameraden seien anständig, ehrlich und ehrenhaft, aber auch naiv und unbedarft gewesen. Selbst als Hubers Kompanie im März 1945 nach Wien vormarschierte, um den Rückzug von zwei SS-Divisionen zu decken, ließ die Kriegsbegeisterung nicht nach. „Unsere Dummheit und unsere idiotische Begeisterung für die vermeintlich gerechte Sache hat uns in den Krieg ziehen lassen“, schildert Huber. „Wir waren gläubig, entschlossen, diszipliniert und blauäugig.“

Von seinem Einsatz kehrte er schließlich schwer verwundet zurück. Viele seiner Kameraden waren gefallen. Nach der Kapitulation machte sich bei dem jungen Soldaten Ernüchterung breit. „Für mich ist bei meiner Rückkehr im buchstäblichen Sinne des Wortes eine Welt zusammengebrochen.“ Echterdingen lag in Schutt und Asche, die Ideale waren zerschlagen, es kam zu einem Zusammenbruch Hubers.

Eine Kollektivschuld lehnt Huber ab

Erst nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft habe man dann vom Holocaust erfahren. Von Massenvernichtungen, Vergasungen und Verfolgungen der Juden habe man während des Krieges nichts gewusst. „Eine Kollektivschuld lehne ich ab, sowohl für mich persönlich, wie auch für das ganze deutsche Volk“, schreibt Hans Huber.

Das Gespenst der Zukunft und die Orientierungslosigkeit in der Nachkriegszeit habe ihm große Sorgen bereitet. Der 90-Jährige schildert in seinem Buch die folgenden Abstürze und Exzesse mit Weib, Wein, Tanz, Gesang und Schwarzhandel. Erst mit Beginn des Medizinstudiums habe er wieder ein klares Ziel vor Augen und einen Sinn im Leben gefunden. „Ich hatte großes Glück, dass ich den Krieg überlebt habe“, sagt Huber.

Das Buch mit dem blutroten Cover und einer idealisierenden Hitlerjungen-Zeichnung aus Hubers Feder soll eine Warnung an die heutige, junge Generation sein. „Auch heute erkennen viele jungen Menschen nicht die Gefahren hinter gewissen Strömungen, weil sie genauso fasziniert und begeistert von der Sache sind, wie wir es damals waren“, so Huber.

Termin
Hans Huber stellt sein Buch „Frech überlebt“ am Freitag, 17. Februar, im Stadtmuseum vor. Beginn ist um 18 Uhr. Den Erlös aus dem Verkauf des Buches spendet der Autor dem Förderverein des Stadtmuseums.