Die CDU-Familienministerin Schröder provoziert mit ihrem Buch die emanzipierte Frauenwelt – dabei hält sie sich selbst für liberal.
Berlin - Worauf ist Kristina Schröder stolz? Epochale politische Leistungen kann sie bis jetzt nicht ins Feld führen. Mit 32 wird die CDU-Frau zur jüngsten Ministerin in Angela Merkels Regierung befördert. Manche sagen, sie sei nur eine Quotenfrau im Kabinett. Damit kann sich niemand brüsten. Schröder sagt, sie sei stolz darauf, ihren Mann nicht gerüffelt zu haben, als er die gemeinsame Tochter Lotte Marie einmal mit dem falschen Brei fütterte. Die Anekdote soll illustrieren, wie sehr sich die politische Nachwuchskraft von alten Rollenmustern befreit hat.
Das ist Schröders Anliegen. Auf den 240 Seiten ihres neuen Buches („Danke, emanzipiert sind wir selber!“) wird es dokumentiert. Die Frauenministerin hat sich vorgenommen, die Frauen zu befreien – sie zu erlösen von einer „unglaublich verkrampften Debatte darüber, wie ein richtiges Frauenleben sein soll“. Um diese Mission in die Wege zu leiten, entledigt Schröder sich des obligatorischen Hosenanzugs, greift stattdessen zur legeren Jeans und wagt sich mitten in ein Biotop, in dem Geschlechtsgenossinnen zu Hause sind, deren Lebensentwürfe so gar nicht ihrem eigenen entsprechen: Neofeministinnen und „Latte-macchiato-Mütter“. Letztere hat die Publizistin Bascha Mika erfunden. Sie meint damit „eine Spezies Frau, die aus Bequemlichkeit in die familiäre Komfortzone flüchtet, statt an ihrer Karriere zu basteln“. Es gibt kaum eine Gegend in Deutschland, in der diese Spezies häufiger anzutreffen ist als im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, wo Schröder ihre Kampfschrift präsentiert.
Schröder entspricht dem Typus Rabenmutter
Sie selbst entspricht eher dem Typus Rabenmutter: zehn Wochen nach der Geburt saß Schröder wieder am Kabinettstisch. Das Baby war der eigenen Karriere eher nützlich – zumindest hat es der Ministerin mehr Aufmerksamkeit verschafft als alle ihre politischen Initiativen. Rabenmutter, Karrierefrau, Macchiato-Mami: in Deutschland würden „Lebensentwürfe von Frauen permanent abqualifiziert“, empört sich Schröder. Sie hält nichts von solchen Rollenbildern, predigt vielmehr einen regelrechten Bildersturm.
In ihrem Buch wird das zum „vielleicht letzten Kulturkampf unserer postideologischen Gesellschaft“ stilisiert. Im Keller der Backfabrik, wo die erste Runde dieses Kulturkampfs ausgetragen wird, erntet die Ministerin nach 20 Minuten erstmals zaghaften Beifall, als ihr eine verhalten kritische Anmerkung zu den Minijobs über die Lippen kommt. Viel mehr an Applaus ist ihr nicht vergönnt. Es ist kein Heimspiel für eine Christdemokratin. Ihre Partei hat in diesem Quartier bei der letzten Wahl 8,4 Prozent erzielt, Grüne, Linke und Piraten verfügen über eine Zweidrittelmehrheit. Schröder mag sich gedacht haben, es spreche für Courage, in einer solchen Höhle der Löwinnen aufzutreten. Aber sie muss sich zeitweise vorkommen wie in einem Revier von Hyänen. Gekicher ist noch die mildeste Form von Spott, wenn die Ministerin etwa vom „Paternalismus des Feminismus“ spricht. Nörgeliger wird die Tonlage bei Stichworten wie der „Flexiquote“.
Dabei wartet die Jungkonservative mit einer geradezu libertären Botschaft auf. „Ich fühle mich nicht als Gouvernante der Nation“, gibt sie zu Protokoll. Im Kabinett ist Schröder allerdings mit Aufgaben betraut, die sich tatsächlich so umschreiben ließen. Sie hat das Elterngeld gekürzt und für Hartz-IV-Empfänger gleich ganz gestrichen, kämpft gegen fixe Frauenquoten in Unternehmen und soll nun in den nächsten Wochen ein Konzept für das Betreuungsgeld ausarbeiten. Selbst in der eigenen Partei gewinnt sie damit kaum Freundinnen.
Eine Attacke gegen das Diktat der Rollenbilder
Ihr literarisches Bekenntnis verstehen viele als Versuch, sich von der Emanzipation zu emanzipieren. Doch so einfach ist die Sache nicht. Schröder zollt dem klassischen Feminismus schon Respekt, auch wenn das nach einem Lippenbekenntnis klingen mag. „Ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich wahrscheinlich ohne die Frauenbewegung nicht da wäre, wo ich bin“, sagt die Ministerin. Sie persönlich hält ihr Gesellschaftsbild übrigens keineswegs für stockkonservativ, sondern für durchaus liberal. So verkauft sie auch die Attacke gegen das „Diktat der Rollenbilder“. In Wahrheit richtet sie sich gegen das feministische Glaubensbekenntnis, wonach auch alles Private politisch sei. Schröder will dieses Weltbild auf den Kopf stellen. Wie Frauen ihr Leben gestalten sei eine private Entscheidung, in die sich die Politik nicht einzumischen habe. Das hört sich an, als wolle die Ministerin den eigenen Posten für überflüssig erklären. Einwänden weicht sie weiträumig aus.
Nicht ausweichen kann sie dem höhnischen Echo – etwa in Gestalt von Tobias Schlegl, einem Reporter der Satiresendung „Extra 3“. Er tritt auf den Plan wie Kai aus der Kiste, lässt einen Frauenchor auftreten, der eine Hymne auf das „Heimchen am Herd“ anstimmt. Schröder greift verlegen nach dem Wasserglas, fängt sich aber gleich und kontert: ,Extra 3‘ sei ihre Lieblingssendung, auch wenn es dem Sender peinlich sei. Die Ministerin bekommt dann eine goldene Schürze überreicht. Sie ignoriert das Accessoire. Es gleitet zu Boden, bleibt dort liegen – auch das ein Bekenntnis?