Die Fellbacher Buchhändlerin Gudrun Lack und ihr Mitarbeiter Sebastian Rothfuss sprechen darüber, was KI in ihrer Branche mit sich bringt und warum es klare Regelungen braucht.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Die Fellbacher Buchhändlerin Gudrun Lack und ihr Mitarbeiter Sebastian Rothfuss sehen Chancen und Risiken im Einsatz von KI in der Buchbranche. Im Gespräch berichten sie, warum es aus ihrer Sicht klare Regelungen im Umgang mit KI braucht.

 

Frau Lack, Herr Rothfuss, KI ist auf dem Vormarsch in vielen Lebensbereichen. Deren Einsatz bringt in den jeweiligen Branchen unterschiedliche Auswirkungen mit. Was sind aus Ihrer Sicht die Risiken beim Einsatz von KI im Buchhandel?

Lack: Wie sieht es mit der Haftung bei einem KI-generierten Buch aus? Wer haftet, wenn die Maschine bei der Erstellung des Buchs Fehler macht oder Urheberrechte verletzt?

Rothfuss: Da fällt mir ein Beispiel ein, das in mehreren Artikeln aufgegriffen wurde und in unserer Branche die Runde machte: In einem KI-generierten Pilzführer ist da ein giftiger Pilz als Speisepilz angegeben. Wir als Buchhändler wissen aus langjähriger Erfahrung, welche Autoren und Verlage fundierte Pilzführer veröffentlichen, während der Käufer bei Amazon diesen Filter nicht vorfindet. So führte der Online-Buchkauf zum Verzehr von Giftpilzen und brachte einige Menschen in Lebensgefahr. Das zeigt, was unseriöse und unkontrollierte Quellen auslösen können und welche Fragen der Haftung dadurch entstehen.

Bücher-Lack organisiert vielfältige Aktionen wie hier zum Welttag des Buches, bei dem Einblicke in die Buchhandlung geboten wurden. Foto: privat

Sie sehen aber auch Vorteile der KI im Buchhandel, wie sehen diese aus?

Lack: Wir hören von Kollegen, dass diese beispielsweise Dienstpläne oder Werbematerial KI-basiert erstellen. Das erleichtert nach einer kurzen Umstellungsphase die Arbeit sicherlich und liefert kreativen Input. Der Fischer Verlag hat die Neuausgaben von Thomas Mann mit KI-generierten Coverfotos ausgestattet – das bringt einen neuen Wind in unsere Bücherregale. KI kann, wenn sie richtig gefüttert und betreut wird, so auch einzigartige Kunst schaffen.

Rothfuss: Und wer unkt, das würde Arbeitsplätze kosten: In diesem Fall sind die „Künstler“ die Verlagsmitarbeiter, die die KI füttern und die Cover kuratieren und adaptieren. Nicht zuletzt ist der KI-Einsatz in unserer Branche auch ein Faktor, um eventuell Kosten zu sparen: An einem Buch müssen unter anderem Autor, Lektor, Papierhersteller, Drucker, Logistiker, Zwischenhändler und nicht zuletzt wir Buchhändler etwas verdienen. Damit die Preise nicht inflationär steigen, ist es legitim zu schauen, wo gespart werden kann – ohne dass die Qualität sinkt.

Da ist der Blick über die Buchhandlung hinaus ja interessant, oder?

Rothfuss: Wir können Kundenbestellungen bei großen Zwischenhändlern ordern, sodass sie gleich am nächsten Morgen bei uns abholbar sind. Diese Zwischenhändler haben fast alles vorrätig, was an Büchern lieferbar ist. Sie müssen aber ihre Bücher auf unerlaubte Inhalte überprüfen, das kann KI-basiert schneller erfolgen. Das erleichtert solche Prozesse enorm. Am Beispiel des Stichworts „Skinhead“ spuckt ein klassischer Scanner sechzig Ergebnisse aus. Diese Bücher mussten bisher einzeln von Mitarbeitern geprüft werden. In der Mehrheit geht es da um Dinge wie kritische Fachliteratur, Hautpflegetipps oder einen Fetisch – alles erlaubt und quasi unnötig geprüft. Die KI hingegen entdeckt logische Zusammenhänge und liefert nur zwei Ergebnisse, wo der Begriff „Skinhead“ im Buch tatsächlich auf Gewalt- und NS-Verherrlichung passt und ein Ein- und Weiterverkauf nicht möglich ist.

Welche grundsätzlichen Fragen werfen sich für Sie im Hinblick auf KI auf?

Lack: Man sollte jeweils kritisch überdenken, wofür man die KI einsetzen möchte. Auch, welche Intention damit verbunden ist. Gehen wir vom Positiven aus, das heißt keiner verfolgt tatsächlich absichtlich schlechte Absichten mit KI, selbst dann ist eine kritische Prüfung unerlässlich, bevor etwas veröffentlicht wird. Und ein klar definierter gesetzlicher Rahmen. Stichwort: Kennzeichnungspflicht.

Rothfuss: Doch das wird leider zu wenig passieren, da die Schnelligkeit und Praktikabilität in den Vordergrund rücken. Und selbst wenn wir gute praxisorientierte Gesetze in Deutschland oder der EU rasch bekommen würden - wen interessiert das in China, Russland und den USA?

Die Buchbranche ist durch den amerikanischen Riesen Amazon unter Druck. Sie sehen auch die Gefahr, dass durch KI Trends verstärkt und gesetzt werden. Wie kann das aussehen?

Lack: Indem man beispielsweise einen Hype wie die „Vergissmeinnicht“- Reihe der deutschen Autorin Kerstin Gier aufgreift. Mithilfe der KI kann dann ein Buch erstellt werden, das romantisch und mit einer netten Liebesgeschichte versehen ist und ein paar weitere entsprechende Suchbegriffe und Parameter hat, die gerade gefragt sind. Das kann sich dann zu einem Bestseller bei Amazon steigern und so der eigene Trend befeuert werden, der zugunsten der großen Konzerne geht. Denn da muss kein Autor für seine kreative Arbeit entlohnt werden.

Sie meinen, es geht etwas verloren, wenn kein Autor mehr hinter einem Titel steckt. Was bedeutet das?

Lack: Wenn wir ein Buch von Sebastian Fitzek mit Begeisterung gelesen haben, können wir den Schriftsteller als Persönlichkeit kennenlernen. Bei einem KI-basierten Buch dagegen kann es keine Lesungen geben, keine persönlichen Begegnungen. Erst recht nicht in den Räumen des Online-Riesens. Das, was wir in unserer Buchhandlung immer wieder bieten und was auf große Resonanz stößt, ist bei KI-generierten Inhalten nicht möglich. Das macht doch Events wie beispielsweise die Buchmesse in Fellbach aus, dass dort Autoren und Leser zusammentreffen und sich austauschen können.

Was müsste aus Ihrer Sicht unbedingt geregelt werden im Umgang mit KI?

Lack: Ohne die Arbeit von Autoren, Komponisten und anderen hätte Künstliche Intelligenz gar nicht trainiert werden können, darauf wird immer wieder verwiesen. So fordert beispielsweise Matthias Hornschuh, Komponist und Sprecher der Initiative Urheberrecht, einen besseren Schutz von Kultur und Kreativberufen.

Rothfuss: Außerdem ist das, was KI präsentiert, nicht immer richtig und muss überprüft werden – und für diese Überprüfung braucht es Vorgaben. Natürlich gibt es auch von Menschen verursachte Fehler. Aber in dem Fall haben wir einen Ansprechpartner, einen, der Verantwortung übernehmen muss. Zudem bedient KI oft Stereotypen, wie sie eben überall zu finden sind. Sie kann also dazu beitragen, diese zu verstärken und weniger Vielfalt aufzuzeigen. Lassen Sie ohne Geschlechtsangabe die KI ein Bild von „Bodybuilder“ generieren und eins von einer „Schönheit“. Tendenziell wird es im ersten Fall ein Mann sein, im zweiten eine Frau, aber eher nicht umgekehrt.

Gütesiegel für Buchhandlung Lack

Engagierte Buchhändlerin
Gudrun Lack führt seit mehr als 30 Jahren die gleichnamige Buchhandlung in Fellbach. Jüngst wurde diese mit der Lese-Eule 2025/26 für ihr besonderes Engagement im Bereich der Leseförderung und Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. Die Lese-Eule wird alle zwei Jahre vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels Baden-Württemberg verliehen. Insgesamt sind 31 besonders engagierte Buchhandlungen aus ganz Baden-Württemberg mit dem Gütesiegel gewürdigt worden.