Das Ditzinger Unternehmen Bürger will Maultaschen außerhalb Württembergs bekannt machen. Das dauert. Zugleich plagt die Firma andere Sorgen

Die Maultasche – ein wüstes Wort? Offensichtlich für immer weniger Kunden: Die Produktionsmenge sei 2021 um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert worden, teilt das Unternehmen Bürger mit. Das sei „nach dem Jahr 2020 ohne Mengenzuwachs sehr erfreulich“, sagt der Geschäftsführer Martin Bihlmaier. Er führt den Ditzinger Familienbetrieb seit 2008, in nunmehr dritter Generation.

 

Produktionsengpässe im vergangenen Jahr

Die starke Nachfrage vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2021 hat nach Unternehmensangaben gar zu gelegentlichen Produktionsengpässen an den beiden Standorten Crailsheim und Ditzingen geführt. Um diese zu reduzieren, werden nach eigenen Angaben zusätzliche Produktionsanlagen aufgebaut und einzelne Produktionslinien weiter automatisiert. Das Unternehmen produzierte vergangenes Jahr insgesamt 88 622 Tonnen Lebensmittel; dies entspricht dem Gewicht von 222 Jumbo-Jets. Im Jahr zuvor, 2020, waren es rund 81 300 Tonnen gewesen.

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Dabei ist Crailsheim der Hauptproduktionsstandort des „Herrgottsbscheißerle“, das nicht nur an Karfreitag gern gegessen wird. Dort wird derzeit kräftig investiert: Eine neue Kältezentrale soll noch dieses Jahr in Betrieb gehen, ein Logistikzentrum Anfang 2023. In Ditzingen hingegen – dort wird Ochsenmaulsalat und Mayonnaise produziert – könne man sich nicht geografisch ausdehnen, so eine Unternehmenssprecherin.

In Ditzingen fehlt Fach- und Hilfspersonal – und Platz

Gleichwohl sei auch dort investiert worden, in die Modernisierung des Maschinenparks. Der Ditzinger Standort nahe der Autobahnauffahrt Stuttgart-Feuerbach ist ringsum bebaut. Er ist vor allem Verwaltungssitz, aber für die Produktion fehlen auch dort Fachkräfte, laut der Sprecherin unter anderem Elektriker und Linienführer. Aber auch Hilfskräfte werden gesucht.

Das war 1964 anders, als die erste selbst entwickelte Maultaschenmaschine überhaupt im Unternehmen zum Einsatz kam. Ein Handelsvertreter hatte Erwin Bihlmaier in den sechziger Jahren auf den Bedarf an Maultaschen aufmerksam gemacht. Der Vater wies daraufhin seinen Sohn Richard an, sich darum zu kümmern. Richard, der 2020 verstorbene Seniorchef, tüftelte, die Maultaschenmaschine entstand. Die Technik wurde immer ausgereifter. Doch das helle, mehr als einen Meter lange Holzbrett mit 13, mehrere Zentimeter breite Einkerbungen, mit der die Produktion einst begonnen hatte, begleitete noch den 80-jährigen Seniorchef. In dessen Büro hatte das Brett einen festen Platz.

Über Berlin und Hamburg hinaus

Bihlmaier hatte zunächst als Koch und Metzger in Deutschland und den USA volontiert, ehe er 1961 in das von Richard Bürger in Stuttgart-Feuerbach gegründete Unternehmen eintrat. Bürger hatte keine Nachkommen, Bihlmaier übernahm die Firma, in die später Sohn Richard hinzukommen sollte. 1978 wurde in Ditzingen gebaut, 23 Jahre später kam der heutige Geschäftsführer Martin Bihlmaier hinzu.

Er ist Chef von rund tausend Mitarbeitern, davon 194 in Ditzingen – und führt weiter, was sein Vater vorangetrieben hatte, nämlich die Maultasche außerhalb des Schwabenlands zur beliebten Speise zu machen. Hamburg und Berlin sind zwar aus Unternehmenssicht inzwischen ein gutes Pflaster, gleichwohl lasse der Absatz von Süden nach Norden nach wie vor nach. Ob es am Namen liegt? Auch wenn Richard Bihlmaier davon wusste, dass die Maultasche in anderen Regionen als wüstes Wort gilt, hielt er daran fest. „Ein bissle Stolz“, so meinte er einst lachend, „muss auch sein“.