Im Landtag ist man sich über eine Verfassungsreform weitgehend einig, die Volksinitiativen ermöglicht und Volksabstimmungen erleichtert. Doch für ein Gesamtpaket bedarf es noch der Einigung über kommunale Streitthemen.

Stuttgart - Mehr direkte Demokratie hat die grün-rote Koalition nach dem Machtwechsel vor zwei Jahren versprochen. Mehr direkte Demokratie rückt auch näher, aber ohne Kompromisse wird es nicht gehen. Die interfraktionellen Gespräche im Landtag sind inzwischen so weit gediehen, dass zumindest die Pläne zur Änderung der Landesverfassung entscheidungsreif vorliegen. Sie zielen darauf ab, Volksabstimmungen zu erleichtern.

 

„Ich erkenne keinen fundamentalen Dissens“, sagt Peter Hauk, der Chef der CDU-Landtagsfraktion. „Die CDU bewegt sich.“ Allerdings werden die CDU-Abgeordneten so lange die nötige Verfassungsänderung im Landtag blockieren, so lange die strittigen Fragen zur Ausweitung der Gemeindedemokratie nicht geklärt sind. Mehr Demokratie im Land und in den Kommunen: „Das gibt es nur im Paket“, erklärt Hauk.

Die CDU hält den Schlüssel in der Hand. Zwar könnte Grün-Rot Bürgerentscheide in den Kommunen im Alleingang wesentlich erleichtern, müsste in diesem Fall freilich mit einem Veto der CDU bei der Verfassungsänderung für die Senkung des Zustimmungsquorums bei Volksabstimmungen auf Landesebene rechnen. Das wollen die Regierungsfraktionen nicht riskieren, zumal auch Grüne und SPD keineswegs immer an einem Strang ziehen. Der Schwäbisch Haller SPD-Abgeordnete Nikolaos Sakellariou sagt: „Es wäre ein starkes Signal für eine neue Parlamentskultur, wenn die vier Fraktionen zu einem gemeinsamen Ergebnis kämen.“

Einig sind sich die Unterhändler von Grünen und SPD sowie CDU und FDP darin, künftig sogenannte Volksinitiativen zu ermöglichen. Die Durchschlagskraft dieses direktdemokratischen Instruments ist allerdings begrenzt. Mittels der Volksinitiative kann der Landtag verpflichtet werden, sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen. Dazu müssen Unterschriften gesammelt werden, die 0,5 bis ein Prozent der Wahlberechtigten abdecken. Die genaue Zahl ist noch in der Schwebe.

Halbierung der bisherigen Quoren

Die nächste Beteiligungsstufe ist das Volksbegehren, das schließlich – dritte Stufe – zur Volksabstimmung führt. Das Volksbegehren muss bisher von einem Sechstel, also 16,6 Prozent der Wahlberechtigten getragen werden. Für den Erfolg bei der Volksabstimmung bedarf es nicht nur einer Mehrheit, sondern auch der Zustimmung eines Drittels der Wahlberechtigten. Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder plädiert für eine Halbierung der bisherigen Quoren. Acht bis zehn Prozent für das Volksbegehren, 16 bis 20 Prozent für die Volksabstimmung. CDU-Fraktionschef Hauk sagt, auf 20 Prozent würde seine Fraktion beim Zustimmungsquorum heruntergehen. Vor allem für die basisbewegten Grünen wäre dies wiederum ein großes Zugeständnis, hatte die Fraktion doch vor drei Jahren zusammen mit der SPD einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ganz ohne Zustimmungsquorum auskam. Den Vorschlag der damaligen schwarz-gelben Regierung, sich auf 25 Prozent zu einigen, lehnte man ab.

Es ist also ein großes Feilschen im Gang, aber am Ende wird doch der Kompromiss stehen, den die Demokratie letztlich braucht und der sie trägt. Für die Praxis nicht ganz unerheblich ist dabei auch die Frage, ob die Unterschrift für eine Volksinitiative oder ein Volksbegehren nur in Behördenstuben geleistet werden oder auch auf der Straße gesammelt werden dürfen. Beides soll künftig möglich sein, berichten die Unterhändler. Das geht auch für Ulrich Goll von der FDP in Ordnung. In den Städten sei die Straßensammlung effektiver, in den Weiten des ländlichen Raums habe die Amtslösung ihre Vorteile.

Abstimmungen über Bauleitplanung sind umstritten

Die größere Brisanz sieht Goll in den Verhandlungen über mehr direkte Demokratie auf kommunaler Ebene. Dort liegt das Zustimmungsquorum derzeit bei 25 Prozent. Goll sagt, es gebe die Befürchtung, „dass die Gemeinderäte entmachtet werden“. Von Abstimmungen zum Beispiel über Gebühren und Abgaben halte er nichts. Auch der SPD-Mann Sakellariou mahnt: „Wir müssen die Balance wahren zwischen mehr Bürgerbeteiligung und dem Respekt vor den gewählten Gremien.“ Schon jetzt werde ihm bei der Rekrutierung von Kandidaten für Gemeinderatswahlen entgegen gehalten, dass die wirklich wichtigen Entscheidungen bald nur noch mittels Bürgerentscheid gefällt würden. Zu den weiteren Problemen zählt auch die Frage, ob die kommunale Bauleitplanung – bisher von Bürgerentscheiden ausgenommen – künftig zur Abstimmung gestellt werden kann. Grünen-Fraktionsvize Hans-Ulrich Sckerl bezeichnet es als wichtig, dass in den Gemeinden künftig Bürgerbegehren auch zu Bebauungsfragen möglich werden. „In gemeinsamer Verantwortung sollten wir jetzt einen Knopf dran machen.“ Insgesamt hätten die interfraktionellen Gespräche gezeigt, dass die Chance zur Einigung bei der Erleichterung von Volks- und Bürgerbegehren da sei.

Eine zusätzliche Bedingung für eine Einigung stellt CDU-Fraktionschef Hauk allerdings noch. Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) müsse endlich ihren Katalog für ein „untergesetzliches Beteiligungsinstrumentarium“ vorlegen – Vorschläge also, wie die Bürger bereits in die Planung etwa von Infrastrukturprojekten einbezogen werden können. „Wenn man vorher befriedet, ist das besser, als in einen die Bevölkerung spaltenden Abstimmungsprozess zu gehen“, sagt Hauk. Einen Planungsleitfaden hat Erler bereits in der Mache. Den will Hauk jetzt erst einmal sehen.