Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Bis zu diesem Tag, dem 8. November vergangenen Jahres, waren die Röders eine ganz normale Familie. Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Die Eltern beide Juristen, beide Mitte 40. Daniel Röder ist als Wirtschaftsrechtler Mitinhaber einer Kanzlei in Frankfurt, Sabine Röder hat sich auf Mediation spezialisiert. Der Tag führte ihnen vor Augen, dass es an der Zeit sei, Europa und die Demokratie nicht mehr länger von der Zuschauertribüne zu beobachten. Sie schickten an alle ihre Freunde und Bekannten eine Mail – und am 27. November standen 200 Menschen bei Nieselregen im Europaviertel und legten so ein Bekenntnis zur europäischen Idee ab. Das war ein ziemlich ermutigender Testlauf für mehr.

 

Seit diesem Zeitpunkt sind die Röders und ein harter Kern von sechs Freunden sieben Tage die Woche 18 Stunden lang auf den Beinen. Wenn sie nicht arbeiten oder schlafen, dreht sich alles um #PulseofEurope. An Freizeit ist nicht mehr zu denken. Die Wahl Donald Trumps hat ihr Leben auf den Kopf gestellt. Noch nie vorher sind sie zum Demonstrieren gegangen – geschweige denn haben sie selbst eine Demonstration organisiert oder gar angemeldet oder eine Bühne für eine Kundgebung aufgebaut. Aber die Zeiten sind ja auch andere.

„Wir haben alle europäische Biografien“

Rückblende auf vergangenen Sonntag: Der Himmel ist blau – europablau. Die Sonne scheint. Der Frankfurter Goetheplatz ist voll. Die Polizei schätzt, dass es zwischen 1500 bis 1700 Menschen sind. Jede Woche werden es mehr. Es scheint, als hätten alle auf dieses Signal gewartet, als suchten sie nur nach einer Möglichkeit, den Gegnern der europäischen Idee die Stirn bieten zu können. Dafür basteln sie Europatransparente und schwenken vergnügt blaue Fähnchen mit gelben Sternen darauf. Auch Greta, die elfjährige Tochter der Röders, macht mit. „Ich will weiter meine Freundin in den Niederlanden besuchen können“, sagt sie, während sie Pizzakartons mit Plakaten beklebt. Auf Italienisch, Französisch oder Deutsch steht darauf der Appell an die Niederlande: „Bleibt bei uns“.

Gegen 15 Uhr haben alle trotz vielleicht kalter Füße ein wohliges Gefühl in der Magengegend. Sie stehen in einer Menschenkette rund um den Goetheplatz in Frankfurt , sind zur Paulskirche gezogen und haben „In Diversity – united“, in Vielfalt vereint, gerufen. Der sechsjährige Hugo hat an seinem kleinen Tretroller einen handgeschriebenen Zettel befestigt. Auf ihm steht: Europa ist cool! „Hab’ ich ganz alleine gemacht“, sagt er. Dörte Beber (29), Agnesa Kolica (27) und Julia Roshan Moniri (26) haben das blaue Transparent mit der Aufschrift „#PulseofEurope“ der Menschenmenge vorangetragen. „Wir haben heute alle europäische Biografien“, sagt Dörte Beber. „Wir sind die Erasmus-Generation“, sagt Agnesa Kolica. „Wir können so viel voneinander lernen.“ Ein Schüleraustausch mit England, ein Auslandssemester in Italien und ein Praktikum in Frankreich – so sehen europäische Biografien heute aus. Europa ist nicht nur bei den drei jungen Frauen ein Lebensgefühl. Dafür wollen sie einstehen. Deshalb sind sie hier.

„Ich habe zwei Enkel in Norwegen“, sagt Erna Großmann (79). Sie ist mit der Familie ihrer Tochter und deren Freunden von Schwalbach nach Frankfurt gekommen. Sie sind ein Drei-Generationen-Demo-Grüppchen. „An der Schule unseres Sohnes haben wir gerade 38 Nationen gefeiert“, sagt Ulrike Rehm. Christiane Stadtler (60) sagt, was viele der Menschen auf dem Goetheplatz gemeinsam haben: „Ich war noch nie auf einer Demonstration.“ Aber jetzt sei es an der Zeit. „Und für etwas zu sein ist gut“, sagt die Bad-Homburgerin. Jung und Alt, ein bunter Querschnitt der Gesellschaft trifft sich hier regelmäßig an den Sonntagen. „Wir alle müssen jetzt positive Energie aussenden, die den aktuellen Tendenzen entgegenwirkt“, sagt Daniel Röder.

Bis zu diesem Tag, dem 8. November vergangenen Jahres, waren die Röders eine ganz normale Familie. Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Die Eltern beide Juristen, beide Mitte 40. Daniel Röder ist als Wirtschaftsrechtler Mitinhaber einer Kanzlei in Frankfurt, Sabine Röder hat sich auf Mediation spezialisiert. Der Tag führte ihnen vor Augen, dass es an der Zeit sei, Europa und die Demokratie nicht mehr länger von der Zuschauertribüne zu beobachten. Sie schickten an alle ihre Freunde und Bekannten eine Mail – und am 27. November standen 200 Menschen bei Nieselregen im Europaviertel und legten so ein Bekenntnis zur europäischen Idee ab. Das war ein ziemlich ermutigender Testlauf für mehr.

Seit diesem Zeitpunkt sind die Röders und ein harter Kern von sechs Freunden sieben Tage die Woche 18 Stunden lang auf den Beinen. Wenn sie nicht arbeiten oder schlafen, dreht sich alles um #PulseofEurope. An Freizeit ist nicht mehr zu denken. Die Wahl Donald Trumps hat ihr Leben auf den Kopf gestellt. Noch nie vorher sind sie zum Demonstrieren gegangen – geschweige denn haben sie selbst eine Demonstration organisiert oder gar angemeldet oder eine Bühne für eine Kundgebung aufgebaut. Aber die Zeiten sind ja auch andere.

„Wir haben alle europäische Biografien“

Rückblende auf vergangenen Sonntag: Der Himmel ist blau – europablau. Die Sonne scheint. Der Frankfurter Goetheplatz ist voll. Die Polizei schätzt, dass es zwischen 1500 bis 1700 Menschen sind. Jede Woche werden es mehr. Es scheint, als hätten alle auf dieses Signal gewartet, als suchten sie nur nach einer Möglichkeit, den Gegnern der europäischen Idee die Stirn bieten zu können. Dafür basteln sie Europatransparente und schwenken vergnügt blaue Fähnchen mit gelben Sternen darauf. Auch Greta, die elfjährige Tochter der Röders, macht mit. „Ich will weiter meine Freundin in den Niederlanden besuchen können“, sagt sie, während sie Pizzakartons mit Plakaten beklebt. Auf Italienisch, Französisch oder Deutsch steht darauf der Appell an die Niederlande: „Bleibt bei uns“.

Gegen 15 Uhr haben alle trotz vielleicht kalter Füße ein wohliges Gefühl in der Magengegend. Sie stehen in einer Menschenkette rund um den Goetheplatz in Frankfurt , sind zur Paulskirche gezogen und haben „In Diversity – united“, in Vielfalt vereint, gerufen. Der sechsjährige Hugo hat an seinem kleinen Tretroller einen handgeschriebenen Zettel befestigt. Auf ihm steht: Europa ist cool! „Hab’ ich ganz alleine gemacht“, sagt er. Dörte Beber (29), Agnesa Kolica (27) und Julia Roshan Moniri (26) haben das blaue Transparent mit der Aufschrift „#PulseofEurope“ der Menschenmenge vorangetragen. „Wir haben heute alle europäische Biografien“, sagt Dörte Beber. „Wir sind die Erasmus-Generation“, sagt Agnesa Kolica. „Wir können so viel voneinander lernen.“ Ein Schüleraustausch mit England, ein Auslandssemester in Italien und ein Praktikum in Frankreich – so sehen europäische Biografien heute aus. Europa ist nicht nur bei den drei jungen Frauen ein Lebensgefühl. Dafür wollen sie einstehen. Deshalb sind sie hier.

„Ich habe zwei Enkel in Norwegen“, sagt Erna Großmann (79). Sie ist mit der Familie ihrer Tochter und deren Freunden von Schwalbach nach Frankfurt gekommen. Sie sind ein Drei-Generationen-Demo-Grüppchen. „An der Schule unseres Sohnes haben wir gerade 38 Nationen gefeiert“, sagt Ulrike Rehm. Christiane Stadtler (60) sagt, was viele der Menschen auf dem Goetheplatz gemeinsam haben: „Ich war noch nie auf einer Demonstration.“ Aber jetzt sei es an der Zeit. „Und für etwas zu sein ist gut“, sagt die Bad-Homburgerin. Jung und Alt, ein bunter Querschnitt der Gesellschaft trifft sich hier regelmäßig an den Sonntagen. „Wir alle müssen jetzt positive Energie aussenden, die den aktuellen Tendenzen entgegenwirkt“, sagt Daniel Röder.

„Es ist die Stunde der Bürgergesellschaft“

Auch in Berlin wollen sich Harald Welzer (58) und Andre Wilkens (53), zwei der Mitgründer der Initiative Die offene Gesellschaft nicht mehr von deren Gegnern die Themen vorgeben lassen. Auch sie sind der Überzeugung, dass das Dagegensein viel zu viel Kräfte binde. Der neue Geist lasse sich vielleicht mit dem Slogan „Das Dafür ist das neue Dagegen“ beschreiben, frotzeln sie – und werden wieder ernst: „Die Vorstellung, dass alle Leute wütend sind und sich den ganzen Tag bedroht fühlen, muss mal aus den Köpfen raus“, sagt Welzer. Bewusst haben sie die Schrift des Philosophen Karl Popper von den „Feinden der offenen Gesellschaft“ aufgegriffen. Aber genauso bewusst konzentriert sich ihre Arbeit auf die Anhänger des Lebens demokratischer Selbstverständlichkeiten. Etwa 2000 Freunde hat die Initiative, die wie #PulseofEurope daran arbeitet, sich als Verein zu konstituieren. Im Moment werden sie von der Robert-Bosch-Stiftung unterstützt. Aber ähnlich wie die Frankfurter leben sie trotz eines kleinen Büros organisatorisch von der Hand in den Mund.

„Für mich war es eine Sternstunde der Demokratie, als im Spätsommer 2015 ein ganzes Volk so reagiert hat, wie es sich ein Gemeinschaftskundelehrer gewünscht hätte“, sagt Welzer und beschreibt den Moment, als ihm klar wurde, dass dieses positive Gefühl bewahrt werden müsse. Als die Flüchtlinge in großer Zahl kamen, hätten die Menschen gezeigt, dass sie aus der deutschen Geschichte gelernt hätten. „Es war ihnen wichtig, auf der richtigen Seite zu stehen“, sagt er. Demokratie stärken heißt für ihn auch, Menschen in Gesprächen in ihrer Haltung zu stärken. „Wenn die gesellschaftliche Spannung größer wird, ist das nicht die Stunde der Eliten, das ist die Stunde der Bürgergesellschaft.“

Der 17. Juni als Tag der offenen Gesellschaft feiern

„Es ist cool, dafür zu sein“, sagt Andre Wilkens, der in Potsdam aufgewachsen ist. Der Autor hat für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in Genf gearbeitet und zuvor für die EU. „Mein Vater hat mich 1991 mit dem Lada nach Brüssel gefahren“,, erinnert er sich. Für Andre Wilkens ist Demokratie nicht nur Kopfsache, sondern wie für die Menschen in Frankfurt ein Lebensgefühl. Für ihn bedeutete das Ende der DDR endlich wählen, offen denken und auch einfach losfahren zu können und an keiner Grenze anhalten zu müssen. Am Dienstag wird er im Stuttgarter Staatstheater um 19 Uhr bei einer Diskussionsrunde „Brauchen wir die EU wirklich?“ vielleicht von diesem Gefühl erzählen.

„365 Tage für die offene Gesellschaft“ heißt die Aktion der Berliner, die auf den 24. September, den Tag der Bundestagswahl, zuläuft. Zuvor wollen aber auch sie quer durchs Land ein deutlich sichtbares Zeichen setzen. Den 17. Juni wollen sie als Tag der offenen Gesellschaft begehen. An diesem Samstag im Frühsommer, so plant Welzer, sollen möglichst viele Menschen und Institutionen im Land einen Tisch vor ihr Haus stellen und mit ihren Nachbarn essen, trinken – und reden. Am besten noch mit einheitlichen Tischtüchern. „Wie eine einzige große Christo-Installation sähe das dann aus“, schwärmt Wälzer. Das wäre ein Zeichen und der Beweis, dass Demokratie auch gute Laune machen kann.